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Hirsch, Theodor [Editor]; Töppen, Max [Editor]; Strehlke, Ernst Gottfried Wilhelm [Editor]
Scriptores rerum Prussicarum: die Geschichtsquellen der preussischen Vorzeit bis zum Untergange der Ordensherrschaft (1. Band) — Leipzig: Verlag von S. Hirzel, 1861

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https://doi.org/10.11588/diglit.54721#0272

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254

PETRI DE DUSBURG

Beilage 8.
Excurs über die Verschreibungen des Ordens für Stamm-
preussen im 13. Jahrhundert.
Ueber die Verhältnisse der unterworfenen Preussen im I 3. Jahrhundert hat Voigt
im dritten Bande seiner Geschichte Preussens ausführliche Untersuchungen angestellt.
Diese Untersuchungen gehören jedenfalls zu den verdienstvollsten Abschnitten des
ganzen Werkes, und sind bis dahin fast überall mit unbedingtem Vertrauen entgegen
genommen. Allein seine Auffassung dürfte nicht überall die richtige und der weiteren
Erforschung der ständischen Verhältnisse nicht überall förderlich sein. Er unterschei-
det folgende Hauptklassen der begünstigten Preussen unter der Herrschaft des Ordens :
1) Withinge, 2) Freilehnsleute, 3) KÖlmer, 4) Leute, welche ihre Güter auf ununter-
brochenes Erbrecht besitzen. Allein auf ununterbrochenes Erbrecht besassen ihre
Güter auch die Withinge und die Freilehnsleute; die Eintheilung beruht also auf einem
unrichtigen Eintheilungsgrunde. Da Voigt ferner über das Verhältniss zwischen Zehn-
ten und Bischofsscheffel nicht im Klaren ist, so verkennt er das Wesen der Verschrei-
bungen auf Pflugkorn ; die Verschreibungen seiner zweiten und vierten Klasse gehen
ihm durch einander. Endlich sind die Withinge von ihm über Gebühr hervorgehoben
worden (vgl. die Note zu Dusburg III, c. I00). Eine Revision dessen, was sich aus
den ländlichen Verschreibungen des Ordens für Stammpreussen im dreizehnten Jahr-
hundert ergiebt, dürfte demnach nicht überflüssig sein. Wir legen dabei im Allgemei-
nen dieselben Verschreibungen, welche Voigt benutzt hat, und noch einige mehr, zu
Grunde.
Was Dusburg III, c. 220 über die Behandlung der unterworfenen Preussen sagt,
bestätigt unter andern eine Urkunde Johann’s von Wegeleben vom Jahre 1263 aus-
drücklich, in welcher gesagt wird, dass diejenigen, welche den Christenglauben ab-
warfen und die Kirche Gottes peinigten und wider die Ritter und andere Gottgläubige
grimmig zürnten, billig ihre Freiheit verlören, diejenigen aber, welche ihnen getreu-
lich beistanden, durch sonderliche Befestigung ihrer Freiheit zu belohnen seien1. Der
Grundsatz des Ordens war also seit dem zweiten Abfall der Preussen — anders als
noch im Frieden von 12 4-9 — der, die Besiegten vielmehr nach ihrem Verhalten und
Verdienste, als nach ihrer Herkunft und Geburt zu behandeln. So kam es denn, dass
viele, welche vorher dem Stande der Edeln angehörten, in den Stand der Unfreien
hinabsanken, Unfreie aber in den Stand der Freien und Edeln erhoben wurden.
In welche Lage die grosse Menge der alten Landesbewohner in den ungefähr
gleichzeitig unterworfenen Landschaften Kurland und Semgallen durch die deutschen
Sieger versetzt wurden, zeigen die Friedensschlüsse von 1 267 und 1 27 2 (Mitth. aus
d. Gesch. Livlands etc. Bd. 4, S. 403, 407). Dergleichen förmliche Friedensschlüsse
mit den Unterworfenen scheinen in Preussen nach dem Jahre 12 60 nicht mehr abge-
fasst zu sein ; wenigstens ist nichts der Art erhalten. Allein aus der Analogie jener
zuerst genannten Verträge und aus den Verschreibungen für die begünstigten Ange-
hörigen des Preussenstammes, lässt sich doch ziemlich sicher ermessen, in welche
Lage die nicht begünstigten versetzt wurden.
Die Zahl der Begünstigten war aber nicht bedeutend; die grosse Menge der Be-
wohner des Landes sank zur Unfreiheit hinab. Durch Unterwerfung und Annahme der
Taufe erkauften die Abgefallenen nur ihr Leben; für den Grund und Boden, den sie
zu ihrem Unterhalte bedurften, mussten sie dem Orden dienstbar werden. Sie bildeten
die zahlreiche Klasse der Bauern. Dass der Orden ihnen den angestammten Besitz an
Grund und Boden der Regel nach gelassen habe, ist keinesweges nachzuweisen ; viel-
mehr wurde eine grosse Menge derselben in andere Gegenden verpflanzt, andere, die
vorher zu den Edeln gehörten, verloren einen Theil ihres früher ausgedehnten Besitzes.
Was sie erhielten, oder was ihnen blieb, wurde ihnen, zum Zeichen, dass der Orden
4) Urk. von 4 263. Elb. Komthureibuch fol. 4 35.
 
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