626 NICOLAUS VON JEROSCHIN [Livl. Rchk.
alterthümlicheres und mehr dem reinen Hochdeutsch entsprechendes Gewand gekleidet, als
wozu der zu Grunde gelegte Bergmannsche Abdruck berechtigte, so dass mancherlei dialectisch
erscheinende Eigenthiimlichkeiten verwischt sind. — Die neueste Ausgabe erschien I 8 53 in dem
ersten Bande der Scriptores Berum Livonicarum, herausgegeben und mit vortrefflichem Com-
mentar ausgestattet von Kallmeyer. Der Text beruht gleichfalls auf der Bergmannschen Ausgabe,
jedoch auch mit Benutzung einer anderen Copie der Handschrift B durch Brotze; unter dem
Texte sind Varianten der Heidelberger Handschrift , jedoch nicht durchweg richtig aufge-
führt. Leider bewahrt der Abdruck des Textes, in deutschen Lettern ohne Unterschei-
dung der Längen und Kürzen, noch dazu eine unbequeme und unnütze Treue für die
Schreibweise der Handschrift B und, wo B unvollständig ist, auch für die von II bei (oft v
statt u, und umgekehrt, kleine Anfangsbuchstaben der Namen, grosse jedes Verses u. s. w.).
Den Text begleitet eine weitläufige Paraphrase. —Auch bei der Behandlung der in dem Folgenden
gegebenen Fragmente wurde der Bergmann-Brotzesche Text, wie ihn Kallmeyer giebt, zu Grunde
gelegt. Aus den Lesarten der Heidelberger Handschrift, die nochmals verglichen wurde, sind
diejenigen, welche übhr die durchgängige Modernisirung und Dialectisirung des Textes hinaus
bemerkenswert!! sind, angegeben worden. Bei den Stellen, welche allein aus letzterer entlehnt
werden können, wurde von einer vollständigen Aufführung der graphischen Eigenthümlichkeiten
derselben abgesehn, vielmehr ohne nähere Angabe aller Abweichungen des Manuscripts die in
den übrigen Theilen gebrauchte Schreibweise durchgeführt. -— Eine dritte Handschrift soll sich
nach mündlicher Mittheilung in Reval befinden.
Eine vielfach behandelte, aber bisher noch nicht zum Abschlüsse gebrachte Frage ist, wer
der Verfasser der livländischen Reimchronik gewesen sei. Die Chronik liegt als eine Masse von
-12,0 17 Versen vor, innerhalb deren man nach Sprach-oder Styleigenthümlichkeiten durch-
aus keine Abschnitte machen kann. V. 11,6 47 (nach der richtigen auch in dem Folgenden
angenommenen Verszählung Kallmeyers), allein in dem ganzen Werke als dritter Reim sich
einem Reimpaare anschliessend und schon dadurch auf einen Abschluss deutend, lautet: >Wer
mer gelebe, der schribe nach h (zu 1290). Aber die folgenden Theile unterscheiden sich nicht von
den voraufgehenden. Mit unzweifelhaftem Rechte sieht man in dem Autor also hiefür einen Zeitge-
nossen. Die Ereignisse, welche er behandelt, fallen bis nach 1290. Um die Zeit konnte er noch
vonMarquart von Bürbach, Pfleger von Ascheraden sagen: (V. 1781)an lobet da noch vil manich
man<; von einer Schlacht etwa 1219 (V. 1101) >daz ist noch manchem (statt manchen) manne
kuntc; von Lengewin, dem Semgallenhäuptlinge (um 1245) V. 2722, dass dessen Namen von
Alters her manchen bekannt sei. V. 1 220 f. wünscht er der Seele Herzog Albrechts von Sach-
sen Heil von Gott; der Herzog starb 1 260. Sehr allgemein sind Andeutungen, wie V. 1 588 den
Russen thäte die Schande von Ymmenkulle (1 228) noch weh ; oder V. 61 8 noch freuten sich Er-
ben darüber, dass Bischof Albrecht Leute mit nach Livland brachte. V. 172 8 spricht er von den
1 227 heimkehrenden Pilgern und wünscht ihren Seelen Heil, sie seien lebend oder todt; das
liesse genau genommen für die Abfassung dieser Zeilen auf eine Zeit schliessen, innerhalb der
Männer, welche 1 2 27 schon streitbar waren, noch am Leben sein könnten, also etwa höchstens
50 — 60 Jahre nachher. Ganz abweichend aber von den übrigen Andeutungen steht eine in
V. 799 enthaltene da, welche noch der Erklärung bedürftig ist. Der Chronist spricht von den
Kämpfen der Ehsten 1 209 und wie Emme, eine ehstnische Frau, zwei Ordensbrüder zu Velin
vom Tode gerettet habe. »Emme und Viliemes ir man, ir beider sele ich gutes gan; sie hat (so)
min dicke wol gepflegen. Got herre, dinen süzen segen gib in vor alle pine durch die güte dine!«
Eine zu künstliche Vermuthung wäre wohl, an eine Stiftung zum Seelgeräth des Ehepaares zu
denken, deren der Verfasser etwa, vielleicht als dasselbe besorgender Priester, genossen habe.
— Uebrigens sind gerade die Nachrichten über diese ältere Zeit, von der man die treueste
Kunde durch Heinrich den Letten gewinnt, in der Reimchronik mit grosser Unsicherheit behan-
delt; erst etwa von 1 250 an ist sie eine ebenso reichhaltige als auch fast durchaus sichere
Quelle. — In jener Stelle eine falsche Lesart zu vermuthen liegt nahe, schon wegen des auf-
fälligen )hät<; vielleicht ist an »din« (nämlich Gottes) statt »min« zu denken.
Indem'wir von früheren unbestimmten Vermuthungen absehen, führen wir an, dass Pfeiffer
aus sprachlichen Gründen wohl mit Recht die Heimath des Dichters in Mitteldeutschland sucht.
— Die Handschrift B, welche einst einem Johann Alnpeke gehörte, hat die Unterschrift: >ge-
schriben in der kumentur zu Rewel durch den Ditleb von Alnpeke in m°cc°lxxxxvi jär<, welche
sich an und für sich schon weit eher auf einen Schreiber, als den Verfasser zu beziehen scheint.
Ob sie dem Texte ganz gleichzeitig sei, ist nicht mitgetheilt, wie auch über die denselben be-
alterthümlicheres und mehr dem reinen Hochdeutsch entsprechendes Gewand gekleidet, als
wozu der zu Grunde gelegte Bergmannsche Abdruck berechtigte, so dass mancherlei dialectisch
erscheinende Eigenthiimlichkeiten verwischt sind. — Die neueste Ausgabe erschien I 8 53 in dem
ersten Bande der Scriptores Berum Livonicarum, herausgegeben und mit vortrefflichem Com-
mentar ausgestattet von Kallmeyer. Der Text beruht gleichfalls auf der Bergmannschen Ausgabe,
jedoch auch mit Benutzung einer anderen Copie der Handschrift B durch Brotze; unter dem
Texte sind Varianten der Heidelberger Handschrift , jedoch nicht durchweg richtig aufge-
führt. Leider bewahrt der Abdruck des Textes, in deutschen Lettern ohne Unterschei-
dung der Längen und Kürzen, noch dazu eine unbequeme und unnütze Treue für die
Schreibweise der Handschrift B und, wo B unvollständig ist, auch für die von II bei (oft v
statt u, und umgekehrt, kleine Anfangsbuchstaben der Namen, grosse jedes Verses u. s. w.).
Den Text begleitet eine weitläufige Paraphrase. —Auch bei der Behandlung der in dem Folgenden
gegebenen Fragmente wurde der Bergmann-Brotzesche Text, wie ihn Kallmeyer giebt, zu Grunde
gelegt. Aus den Lesarten der Heidelberger Handschrift, die nochmals verglichen wurde, sind
diejenigen, welche übhr die durchgängige Modernisirung und Dialectisirung des Textes hinaus
bemerkenswert!! sind, angegeben worden. Bei den Stellen, welche allein aus letzterer entlehnt
werden können, wurde von einer vollständigen Aufführung der graphischen Eigenthümlichkeiten
derselben abgesehn, vielmehr ohne nähere Angabe aller Abweichungen des Manuscripts die in
den übrigen Theilen gebrauchte Schreibweise durchgeführt. -— Eine dritte Handschrift soll sich
nach mündlicher Mittheilung in Reval befinden.
Eine vielfach behandelte, aber bisher noch nicht zum Abschlüsse gebrachte Frage ist, wer
der Verfasser der livländischen Reimchronik gewesen sei. Die Chronik liegt als eine Masse von
-12,0 17 Versen vor, innerhalb deren man nach Sprach-oder Styleigenthümlichkeiten durch-
aus keine Abschnitte machen kann. V. 11,6 47 (nach der richtigen auch in dem Folgenden
angenommenen Verszählung Kallmeyers), allein in dem ganzen Werke als dritter Reim sich
einem Reimpaare anschliessend und schon dadurch auf einen Abschluss deutend, lautet: >Wer
mer gelebe, der schribe nach h (zu 1290). Aber die folgenden Theile unterscheiden sich nicht von
den voraufgehenden. Mit unzweifelhaftem Rechte sieht man in dem Autor also hiefür einen Zeitge-
nossen. Die Ereignisse, welche er behandelt, fallen bis nach 1290. Um die Zeit konnte er noch
vonMarquart von Bürbach, Pfleger von Ascheraden sagen: (V. 1781)an lobet da noch vil manich
man<; von einer Schlacht etwa 1219 (V. 1101) >daz ist noch manchem (statt manchen) manne
kuntc; von Lengewin, dem Semgallenhäuptlinge (um 1245) V. 2722, dass dessen Namen von
Alters her manchen bekannt sei. V. 1 220 f. wünscht er der Seele Herzog Albrechts von Sach-
sen Heil von Gott; der Herzog starb 1 260. Sehr allgemein sind Andeutungen, wie V. 1 588 den
Russen thäte die Schande von Ymmenkulle (1 228) noch weh ; oder V. 61 8 noch freuten sich Er-
ben darüber, dass Bischof Albrecht Leute mit nach Livland brachte. V. 172 8 spricht er von den
1 227 heimkehrenden Pilgern und wünscht ihren Seelen Heil, sie seien lebend oder todt; das
liesse genau genommen für die Abfassung dieser Zeilen auf eine Zeit schliessen, innerhalb der
Männer, welche 1 2 27 schon streitbar waren, noch am Leben sein könnten, also etwa höchstens
50 — 60 Jahre nachher. Ganz abweichend aber von den übrigen Andeutungen steht eine in
V. 799 enthaltene da, welche noch der Erklärung bedürftig ist. Der Chronist spricht von den
Kämpfen der Ehsten 1 209 und wie Emme, eine ehstnische Frau, zwei Ordensbrüder zu Velin
vom Tode gerettet habe. »Emme und Viliemes ir man, ir beider sele ich gutes gan; sie hat (so)
min dicke wol gepflegen. Got herre, dinen süzen segen gib in vor alle pine durch die güte dine!«
Eine zu künstliche Vermuthung wäre wohl, an eine Stiftung zum Seelgeräth des Ehepaares zu
denken, deren der Verfasser etwa, vielleicht als dasselbe besorgender Priester, genossen habe.
— Uebrigens sind gerade die Nachrichten über diese ältere Zeit, von der man die treueste
Kunde durch Heinrich den Letten gewinnt, in der Reimchronik mit grosser Unsicherheit behan-
delt; erst etwa von 1 250 an ist sie eine ebenso reichhaltige als auch fast durchaus sichere
Quelle. — In jener Stelle eine falsche Lesart zu vermuthen liegt nahe, schon wegen des auf-
fälligen )hät<; vielleicht ist an »din« (nämlich Gottes) statt »min« zu denken.
Indem'wir von früheren unbestimmten Vermuthungen absehen, führen wir an, dass Pfeiffer
aus sprachlichen Gründen wohl mit Recht die Heimath des Dichters in Mitteldeutschland sucht.
— Die Handschrift B, welche einst einem Johann Alnpeke gehörte, hat die Unterschrift: >ge-
schriben in der kumentur zu Rewel durch den Ditleb von Alnpeke in m°cc°lxxxxvi jär<, welche
sich an und für sich schon weit eher auf einen Schreiber, als den Verfasser zu beziehen scheint.
Ob sie dem Texte ganz gleichzeitig sei, ist nicht mitgetheilt, wie auch über die denselben be-