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1895. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 11.
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Die Ueberlieferung läfst nun den hl. Lucius
an der Stelle, die zu Chur von der jetzt be-
stehenden und ihm geweihten Kirche einge-
nommen wird, schon eine Zelle und ein Kirch-
lein errichten, und außerdem erzählt sie, dafs
der Heilige ebendort auch seine Ruhestätte
gefunden habe.8)
Wohl nicht mit Unrecht, sagt Mayer, wird
der hl. Lucius als der erste Bischof der Diö-
zese Chur angesehen. Der erste Bischof aber,
von dem sich eine historische Nachricht erhalten
hat, ist der hl. Asimo, der sich durch den
Bischof Abundantius von Como auf dem im
Jahre 452 durch Eusebius in Mailand abge-
haltenen Concil vertreten liefs.9) Ein Jahr-
füllt hat.10) Baulich aber ist von gröfserer
Wichtigkeit eine Mittheilung, die Valentinian
in die engste Beziehung zu einem umfassen-
den, auf der Stelle der Luciuskirche errichteten
Neubau setzt.
Nach der alten Tradition berichtet näm-
lich das »Proprium Curiense von 1646«: Ex
cellula et oratorio, quae erant ad aulam epis-
copalcm in honorem S. Lucii exstructa circa
annum domini quingentesimUm et quadragesimum
(Vaicnliniamis) amplitm eduxit templum.)
Die Zelle des hl. Lucius, das zu seiner
Ehre errichtete Oratorium und die bischöfliche
Curie lagen also zusammen; Valentinian ging
daran, bei dem Grabe des Landesapostels eine
I.uciubkirche und l'i i. sie
Fig. 1. Thcilnnsicht von Chur.
hundert später begegnet dann eine weitere
Nachricht, die zugleich auch eine baugeschicht-
liche Bedeutung besitzt. Sie knüpft an den
hl. Valentinian an, welcher der Diözese vor-
stand, als in Rhätien mit dem Jahre 536 die
Herrschaft von den Ostgothen an die Franken
überging und damit für das Land eine Periode
religiösen und politischen Aufschwungs begann.
Aus den preisenden Lobsprüchen, die diesem
Bischöfe auf seinem Grabsteine gespendet
wurden, geht hervor, dafs Valentinian in jenen
stürmischen und verworrenen Zeiten die Pflich-
ten seines hohen Amtes mit Auszeichnung er-
s) Mayer führl a. a. (). ü. 5 den Nachweis für
die historische Berechtigung dieser Ueberlieferung.
9) Mayer a. a. O. S. 7.
kirchliche Stiftung gröfseren Umfanges zu er-
richten, die man sich als eine mit der bischöf-
lichen Kirche verbundene Anstalt zu denken
haben wird, in der die Kleriker zu einem ge-
meinsamen Leben vereinigt waren.
Diese Einrichtung scheint bestanden zu
haben, bis Bischof Tello (t 773), der als letzter
des seit dem VI. Jahrh. in Rhätien herrschen-
den Geschlechtes der Viktoriden die geistliche
und weltliche Gewalt in seiner Hand ver-
einigte. Der Umstand, dafs ihm die Erbauung
der auf dem Kastell belegenen, der Mutter
1°) Natsch, „Der Grabstein des Bischofs Valen-
tinian von Chur, f 548, Jan. 8« in dem »Anzeiger
für schweizerische Geschichte und Alterthumskunde".
12. Jahrgang, Zürich 1866, S. 4.
11) Mayer a. a. ü. S. 9.
1895. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 11.
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Die Ueberlieferung läfst nun den hl. Lucius
an der Stelle, die zu Chur von der jetzt be-
stehenden und ihm geweihten Kirche einge-
nommen wird, schon eine Zelle und ein Kirch-
lein errichten, und außerdem erzählt sie, dafs
der Heilige ebendort auch seine Ruhestätte
gefunden habe.8)
Wohl nicht mit Unrecht, sagt Mayer, wird
der hl. Lucius als der erste Bischof der Diö-
zese Chur angesehen. Der erste Bischof aber,
von dem sich eine historische Nachricht erhalten
hat, ist der hl. Asimo, der sich durch den
Bischof Abundantius von Como auf dem im
Jahre 452 durch Eusebius in Mailand abge-
haltenen Concil vertreten liefs.9) Ein Jahr-
füllt hat.10) Baulich aber ist von gröfserer
Wichtigkeit eine Mittheilung, die Valentinian
in die engste Beziehung zu einem umfassen-
den, auf der Stelle der Luciuskirche errichteten
Neubau setzt.
Nach der alten Tradition berichtet näm-
lich das »Proprium Curiense von 1646«: Ex
cellula et oratorio, quae erant ad aulam epis-
copalcm in honorem S. Lucii exstructa circa
annum domini quingentesimUm et quadragesimum
(Vaicnliniamis) amplitm eduxit templum.)
Die Zelle des hl. Lucius, das zu seiner
Ehre errichtete Oratorium und die bischöfliche
Curie lagen also zusammen; Valentinian ging
daran, bei dem Grabe des Landesapostels eine
I.uciubkirche und l'i i. sie
Fig. 1. Thcilnnsicht von Chur.
hundert später begegnet dann eine weitere
Nachricht, die zugleich auch eine baugeschicht-
liche Bedeutung besitzt. Sie knüpft an den
hl. Valentinian an, welcher der Diözese vor-
stand, als in Rhätien mit dem Jahre 536 die
Herrschaft von den Ostgothen an die Franken
überging und damit für das Land eine Periode
religiösen und politischen Aufschwungs begann.
Aus den preisenden Lobsprüchen, die diesem
Bischöfe auf seinem Grabsteine gespendet
wurden, geht hervor, dafs Valentinian in jenen
stürmischen und verworrenen Zeiten die Pflich-
ten seines hohen Amtes mit Auszeichnung er-
s) Mayer führl a. a. (). ü. 5 den Nachweis für
die historische Berechtigung dieser Ueberlieferung.
9) Mayer a. a. O. S. 7.
kirchliche Stiftung gröfseren Umfanges zu er-
richten, die man sich als eine mit der bischöf-
lichen Kirche verbundene Anstalt zu denken
haben wird, in der die Kleriker zu einem ge-
meinsamen Leben vereinigt waren.
Diese Einrichtung scheint bestanden zu
haben, bis Bischof Tello (t 773), der als letzter
des seit dem VI. Jahrh. in Rhätien herrschen-
den Geschlechtes der Viktoriden die geistliche
und weltliche Gewalt in seiner Hand ver-
einigte. Der Umstand, dafs ihm die Erbauung
der auf dem Kastell belegenen, der Mutter
1°) Natsch, „Der Grabstein des Bischofs Valen-
tinian von Chur, f 548, Jan. 8« in dem »Anzeiger
für schweizerische Geschichte und Alterthumskunde".
12. Jahrgang, Zürich 1866, S. 4.
11) Mayer a. a. ü. S. 9.