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Zeitschrift für christliche Kunst — 26.1913

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Heft 1/2
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Witte, Fritz: Unsere Aufgaben: Ein offenes Wort über die kirchliche Kunst an Klerus und Laien
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https://doi.org/10.11588/diglit.4358#0018

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1913. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 1/2.

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Abb. 5. Modell der Liebfrauenkirjhe in Bruckhausen von AI. Böll, Köln.

giösen und speziell kirchlichen Kunst, zum
wenigsten in der Malerei. Anders die Archi-
tektur. Das Studium der Geschichte führte
zu einer neuen Erkenntnis der Bedeutung
alter historischer Stile, und, die eigene
künstlerische Impotenz erkennend, griff man
aus der Serie dieser Stile den heraus, der dem
Zeitempfinden am nächsten kam, der aus
ähnlichen Seelenschwingungen geboren und
genährt worden war, zur Gotik. Nicht des-
wegen, weil man sie von Haus aus einen
deutschen Stil nennen zu dürfen glaubte,
verfiel man auf sie. Die Gotik hatte am
konsequentesten das durchgeführt, was wir
Gesetz nennen; deswegen fand an ihr die
Zeit Gefallen, die das Abstrakte und Gesetz-
mäßige in der Kunst, man ist versucht zu
sagen wissenschaftlich sich rekonstruiert
hatte. Die Gotik paßte tatsächlich aber auch
in gewissem Grade hinein in die Zeit, und
nicht mit Unrecht zollte man ihr das Lob, das
auch die liturgischen Forderungen und die
Bedürfnisse des kontemplativen Lebens fast
restlos von ihr erfüllt seien. Wäre der gotische
Stil nicht als zum Teil wesenseins in seinem
Innern mit dem religiösen Empfinden der
Zeit erkannt worden, hätte er sich in dem

Maße Bahn brechen können, wie die Ge-
schichte unserer Väter es erweist, hätten
solche Riesenopfer gebracht werden, solche
Begeisterung erstehen können, wie sie beim
Baue des gotischen Domes xav' i\oy_ijv fest-
zustellen sind?

Wer wirft also guten Gewissens einen
kleinen Stein auch nur auf jene Männer, die
mit diesem starken Strome schwammen, die
mit Leib und Seele Advokaten des „deut-
schen Stiles" wurden? Sein Aufleben war
eine historische Notwendigkeit, um die Kunst
in der Kirche und darüber hinaus zur Besin-
nung zu bringen, um ihr durch Studium,
Kritik und Versuche die Grundgesetze wieder
ins Gedächtnis zu rufen. Es mußte ein An-
knüpfungspunkt nach rückwärts gesucht
werden, von dem aus eine Weiterentwicke-
lung möglich war. Die Tatsache, daß der
Renaissancestil, darnach der romanische, und
im Gefolge auch die meisten anderen noch
einmal Revue passieren mußten, beweist
eben sowohl den Mangel eines eigenen Zeit-
stiles wie das Suchen nach einem An-
knüpfungspunkte, um wieder zu persönlichem
Fortschritt zu kommen. Wir sind ja ehrlich
gestanden heute noch auf dieser Suche be-
 
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