Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 26.1913

DOI issue:
Heft 1/2
DOI article:
Witte, Fritz: Unsere Aufgaben: Ein offenes Wort über die kirchliche Kunst an Klerus und Laien
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4358#0020

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
17

1913. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 1/2.

18

Abb. 7. Friedhofkirche von Karl Moritz, Köln

zeichnen, und sie werden sagen, „das ist
ja gotisch". Und doch behaupten wir,
daß in solcher Verarbeitung der gotischen
Formen das persönliche Element des sie
benutzenden Architekten so stark zu Worte
kommt, daß man nicht mehr von einer
Kopie, sondern höchstens von einer vielleicht
zwangsweise vorgenommenen Anlehnung des
Baumeisters an historische Stile sprechen
kann. Das Gotische ist ihm nicht viel
mehr als ein Beiwerk untergeordneter Art,
das er schmückend seinem nach Grund-
und Aufriß vollkommen frei und unabhängig
komponierten Baugerüste anfügt. In Abb. 8
mag der Leser unzweideutige Anklänge
an die romanischen Stilformen finden, er
wird aber die absolute persönliche Note,
die bewußte Entfernung von irgendeiner
Vorlage zugestehen. Solche Wege der
Anlehnung an alte Stile zu begehen wird
kein vernünftiger Mensch für verwerflich
halten, sie werden über kurz oder lang doch
immer näher an einen selbständigen per-
sönlichen Zeitstil heranführen, zumal sie in
vielen Fällen anerkanntermaßen nur infolge
eines mehr oder minder starken Zwanges be-
gangen werden. Wollen wir damit sagen daß,
unsere Künstler sich darauf beschränken

sollen, alte Stile zu verarbeiten und damit
sich zu begnügen? Gewiß nicht, aber was
ihnen seit Jahrzehnten mit Recht zugebilligt
worden ist, durch Studium der Alten den
rechten Weg und den Anschluß wiederzu-
finden, das würden wir ihnen noch heute
zubilligen ohne jede Einschränkung, wenn
nicht bereits sechs Jahrzehnte über diesem
Studium vergangen wären. Wir wollen end-
lich reife, veredelte Früchte sehen, den Fort-
schritt, die Nähe des durch Studium und
Arbeit gewonnenen Zeitstiles. Leider können
wir das vornehmlich von den hinter uns
liegenden zwei Jahrzehnten nicht sagen; eher
könnten wir in Manchem von einem Rück-
gang sprechen in der Verwertung und Be-
wertung historischer Stile; besonders durch
eine akademische Eintrichterei haben die
Achtziger und Neunziger Jahre eine im
Schema arbeitende, nach Rezepten fabri-
zierende Künstlerkaste großgezogen, die nicht
einmal mehr daran dachte, zur Selbständig-
keit und Originalität sich durchzuarbeiten.
Gotik und Romanisch usf. wurden schlank-
weg gelernt; die Akademiker zogen
Kleinere groß, die es ihnen nachtaten, nur
noch in verkümmerterem Können. Daraus
allein konnten auch die euphemistisch „Werk-
 
Annotationen