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Zeitschrift für christliche Kunst — 26.1913

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Heft 1/2
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Witte, Fritz: Unsere Aufgaben: Ein offenes Wort über die kirchliche Kunst an Klerus und Laien
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https://doi.org/10.11588/diglit.4358#0024

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1913. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 1/2.

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geistlichen Bauherrn wie den ausführenden
Architekten. An ersteren zuvorderst die,
daß er nicht etwa gedankenlos aus irgend
einer persönlichen Liebhaberei einen Stil
fordere; an den Baumeister die Forderung
sorgsamster Anpassung an die Umgebung
und die Platzgestaltung. In Abbildung 4
sei ein Beispiel einer vortrefflichen Lösung
dieser Frage gegeben, das um so instruk-
tiver deswegen sein mag, als es von dem-
selben Verfasser wie Abb. 2 herrührt und
somit eine Illustration dafür bietet, wie
derselbe Künstler unter verschiedenen Be-
dingungen auch ganz verschieden zu arbeiten
vermag. Hier stellt man die Stilfrage erst
an zweiter Stelle und mißt ihr recht eigent-
lich keine viel größerer Bedeutung bei als
die eines schmückenden Beiwerkes. Wenn
wir eines banalen Vergleiches uns bedienen
dürfen, die Lösung der Platzfrage im Grund-
riß und die Anpassung an die Architektur
der Umgebung im Aufriß der Kirche stellen
hier etwa das dar, was der Schnitt am Ge-
wände ist, während einmal die gotisch
klingenden Maßwerke, das anderemal der
rhythmische Wechsel des Materiales in den
Wänden den aufgesetzten, nicht absolut
wesentlichen Schmuck ausmachen. Immer-
hin wird der moderne Mensch in dem goti-
schen Beiwerk vielleicht etwas Altfränkisches
finden und dem moderner ausgestatteten
Bilde den Vorzug geben.

Hier, wo es uns einzig darauf ankommt,
Grundwahrheiten erneut in Worte zu fassen,
erscheint es überflüssig, eine lange Liste
von Künstlernamen aufzuführen, denen ganz
erhebliche Leistungen auf dem Gebiete der
neuzeitlichen kirchlichen Architektur zuzu-
erkennen sind. Die Münchener Zeitschrift
„Die christliche Kunst" bot in den letzten
Jahren eine Fülle von Arbeiten in Wort und
Bild, denen man die Anerkennung nicht ver-
sagen kann. Diese Anerkennung ist vor
allem den Baukünstlern zu zollen, die aus
ernstesten Erwägungen über kirchliches Le-
ben und kirchliche Bedürfnisse, sowie aus
einer unverkennbaren Liebe zur Sache ganz
Neues geschaffen haben, das eben deswegen,
weil es auf die letzten Anknüpfungspunkte
an historische Stile konsequent verzichtet
und verzichten darf, vielfach mit skeptischem
oder gar verwerfendem Kopfschütteln auf-
genommen wird. Wo überhaupt ernstes

Streben die entwerfende Hand eines tüchti-
gen Architekten geführt hat, da ist nicht mit-
leidiges Lächeln am Platze, sondern Ach-
tung. Mag die Kirche in ihrem Konservatis-
mus auch die Bedürfnisse, die sie im Mittel-
alter als Ausgangspunkt für ihre Architektur
ansprach, im wesentlichen behalten haben,
zu ihnen hat sich eine ganze Reihe neuer, in
früheren Zeiten nicht gekannter gesellt, die
alle der Berücksichtigung durch die moderne
kirchliche Architektur wie Kunst überhaupt
harren. Wie weit ihr Einfluß gestaltend
wirken wird, das wird die Zukunft lehren
müssen.

Der Grundsatz der Zweckmäßigkeit im
Bau greift naturnotwendig über Form und
Farbe des Raumes selbst hinaus und hinüber
auf das Gebiet der Kunstzweige, die berufen
sind, eben diesen Raum zu schmücken bzw.
ihn benutzbar zu machen. Ohne das Inventar
würden die Räume der Funktionsglieder
entbehren. In die künstlerische Harmonie
aber, die den Raum als solchen beherrschen
soll, auch das Mobiliar sowie die ganze
übrige Ausstattung einzubeziehen, so daß
zu Ende das Ganze nach jeder Richtung hin
einen einzigen wohlklingenden, volltönenden
Akkord abgebe, das ist die endliche Aufgabe
des Architekten und der mit ihm zusammen-
arbeitenden anderen Künstler.

Zentrum des kirchlichen Lebens, deshalb
auch des Gotteshauses ist der Altar, der
Kulminationspunkt christlichen Denkens und
Fühlens. Diese seine Führerrolle im Kultus-
gebäude hat er durch fast zwei Jahrtausende
in stetig wechselnder Weise gespielt, er hat
sich intensiver als irgend etwas anderes dem
Empfinden der Zeiten angepaßt. Es erfassen
uns heute angesichts der Geschichte des
Altarbaues ernsthaft Zweifel darüber, ob
diese Geschichte tatsächlich in allen ihren
Phasen auf das Prädikat Entwickelung,
Fortschritt, Vervollkommnung, Anspruch er-
heben kann. Uns scheint der Höhepunkt in
ihr recht früh erreicht und leider nur zu
schnell verlassen zu sein. Der am kirchlichen
Leben Interessierte wird für den Altar seiner
Kirche rasch die richtige Definition finden,
und diese läßt sich erschöpfend in das eine
einzige inhaltreiche Wort zusammenfassen:
Opferstätte, Opferstätte für den Sohn
Gottes. Verknüpft sich mit diesem die Auf-
gaben des Altares umfassenden Worte all-
 
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