33
1913. _ ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 1/2.
34
sollte man von den Alten füglich lernen!
Ihnen waren die tragenden Säulen und
stützenden Pfeiler nicht tote Mauer- und
Steinmassen, als vielmehr lebendige, tätige
Glieder eines großen Organismus, und um
ihnen das Zeichen dieser ihrer Tätigkeit auch
äußerlich aufzuprägen, gab man ihnen den
plastischen Schmuck, der wie eine Äußerung
gotischen Säulenschäften, eine Äußerung des
Trage- und Stützsystemes sind sie vielfach
in den romanischen Bauten. Man mag sie
auch gegebenenfalls als aufteilende gliedernde
Werte einer Mauerfläche auffassen oder als
vorgelegtes Ornament, das die Uniformität
einer Fläche bescheiden zurückhaltend auflöst
und erträglich macht, oder gar als Ruhe-
Abb. 13. Dekorationsskizze von J. Osten, Köln.
ihrer tektonischen Funktionen aus dem Kern
der Masse heraustrat, ohne seinen Linienfluß
zu behemmen oder gar unmöglich zu machen,
als vielmehr durch eine gewisse Verlang-
samung der aufstrebenden Bewegung feier-
licher, größer, die Bewegung selbst zu einer
beschränkt dauernden zu gestalten. Retar-
dierendes, aber nicht aufhebendes Moment
sind diese Heiligenfiguren an den ragenden
punkte und Ausgangspunkte innerer Samm-
lung, immer und überall soll der plastische
Schmuck sich den gegebenen Verhältnissen
anschmiegen, mit ihnen zusammengehen, aus
ihnen recht eigentlich heraus geboren werden.
Diesen Aufgaben gerecht zu werden, auch
dazu gehört das Gefühl und das Können des
Künstlers, der die Absichten des Baumeisters
nachempfindet, seine Vorstellungen mit emp-
1913. _ ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 1/2.
34
sollte man von den Alten füglich lernen!
Ihnen waren die tragenden Säulen und
stützenden Pfeiler nicht tote Mauer- und
Steinmassen, als vielmehr lebendige, tätige
Glieder eines großen Organismus, und um
ihnen das Zeichen dieser ihrer Tätigkeit auch
äußerlich aufzuprägen, gab man ihnen den
plastischen Schmuck, der wie eine Äußerung
gotischen Säulenschäften, eine Äußerung des
Trage- und Stützsystemes sind sie vielfach
in den romanischen Bauten. Man mag sie
auch gegebenenfalls als aufteilende gliedernde
Werte einer Mauerfläche auffassen oder als
vorgelegtes Ornament, das die Uniformität
einer Fläche bescheiden zurückhaltend auflöst
und erträglich macht, oder gar als Ruhe-
Abb. 13. Dekorationsskizze von J. Osten, Köln.
ihrer tektonischen Funktionen aus dem Kern
der Masse heraustrat, ohne seinen Linienfluß
zu behemmen oder gar unmöglich zu machen,
als vielmehr durch eine gewisse Verlang-
samung der aufstrebenden Bewegung feier-
licher, größer, die Bewegung selbst zu einer
beschränkt dauernden zu gestalten. Retar-
dierendes, aber nicht aufhebendes Moment
sind diese Heiligenfiguren an den ragenden
punkte und Ausgangspunkte innerer Samm-
lung, immer und überall soll der plastische
Schmuck sich den gegebenen Verhältnissen
anschmiegen, mit ihnen zusammengehen, aus
ihnen recht eigentlich heraus geboren werden.
Diesen Aufgaben gerecht zu werden, auch
dazu gehört das Gefühl und das Können des
Künstlers, der die Absichten des Baumeisters
nachempfindet, seine Vorstellungen mit emp-