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Zeitschrift für christliche Kunst — 26.1913

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Heft 1/2
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Witte, Fritz: Unsere Aufgaben: Ein offenes Wort über die kirchliche Kunst an Klerus und Laien
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https://doi.org/10.11588/diglit.4358#0034

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1913. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 1/2.

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der Kunstweberei und Paramentik gemacht
worden, und zwar hier vielfach mit aner-
kennenswerten Erfolgen. Nachdem aber
nun einmal durch Kopieren und Umbildungen
alter überlieferter Formen die Technik der
Weberei in ihrer alten Solidität neu geboren
worden, sollte man nunmehr auch Bedacht
darauf nehmen, in der Bemusterung neuen
Anschauungen und Bedürfnissen Rechnung
zu tragen und nicht immer wieder mit Ko-
pien sich zufrie-
den geben. Bei
allem Respekt
vor den prunk-
vollen Gewe-
ben sassanidi-
scher, byzanti-
nischer, sizilia-
nischer und ve-
netianischer Fa-
briken des Mit-
telalters können
wir denn doch
nicht verschwei-
gen, daß manche
dieser Muste-
rungen lokalen
oder zeitlichen
Anschauungen
entsprungen
sind, die uns
heute durchaus
fremd anmuten,
die vielleicht so-
gar, als aus Zu-
fälligkeiten er-
wachsen, unter
keinen Umstän-
den verdienen,
nachgeahmt zu
werden. Wer
würde denn noch ernsthaft die Darstellung
eines sassanidischen Jägers für passend
halten für ein liturgisches Gewand? Künst-
lerischer, historischer Wert und Brauch-
barkeit für die Jetztzeit decken sich längst
nicht immer; was einmal schön und muster-
gültig war, ist es nicht notwendig auch heute.
Im Gegenteil, es hieße die Bedeutung der
Stellung unserer Weberei innerhalb der
Kirchenkunst unterschätzen, wollte man
nicht auch an sie die Forderung stellen, dem
großen Organismus der Einheitlichkeit, dem

Abb. 19. Mantelschließen von H. Vorfeld, Köln-Lindenthal.

Stile sich einzuordnen und anzupassen. Auch
die schönste Musterung wirkt schließlich er-
nüchternd, wenn wir sie immer wieder und
überall sehen, zumal, wenn sie die Zeichen
einer Kopie nach alten Mustern gar zu deut-
lich an sich trägt. Die profane Weberei von
heute gibt tausend Fingerzeige auch für die
kirchliche, sie hat unter sicherer Führung
tüchtiger Künstler eine ganze Anzahl hervor-
ragend schöner Stoffe auf den Markt ge-

bracht.(Abb.33.)
Schlimmer als
mit der Weberei
steht es mit
der Stickkunst
für kirchliche
Zwecke. Eine
absolute Besin-
nungslosigkeit
beherrscht hier
auf der ganzen
Linie Klerus und

Paramenten-
händler. Wenn
die Geistlichkeit
nur immer eine
Grundforderung
im Auge behal-
ten wollte, die
nämlich, daß
Kasel, Chor-
mantel, Dalma-
tik usf. doch
nun einmal nach
ihrer Bestim-
mung Gewän-
der sein sollen,
nicht aber Aus-
stellungstafeln
fürreicheStoffe,
auf die man
brachte, die wie
Reklameschilder

noch reichere Stickereien
ausgehängte Plakate und
auf dem Rücken des Priesters wirken.
Hier kann die Kritik nicht rücksichtslos
genug den Hebel ansetzen, indem sie wieder
und wieder die Unschönheiten und Abnormi-
täten geißelt, welche die kirchliche Stickerei
—• Stickkunst schämt man sich zu sagen —
tagtäglich produziert und in die Kirchen
schickt. „Gewand", wenn von diesem
Begriff aus die Beurteilung der in den Sakri-
steien befindlichen, in den letzten Dezennien
 
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