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Zeitschrift für christliche Kunst — 26.1913

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Heft 1/2
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Witte, Fritz: Unsere Aufgaben: Ein offenes Wort über die kirchliche Kunst an Klerus und Laien
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https://doi.org/10.11588/diglit.4358#0036

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49

1913. - ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 1/2.

50

Geschmack ein halbwegs befriedigendes Re-
sultat erzielt werden, sobald aber fertig
gestickte Stäbe (zum großen Teile
Schweizer Maschinenarbeit kommt da in den
Handel) zu einem Gewände ausgesucht wer-
den, ist die Grundbedingung für eine har-
monische Wirkung verloren. Man gebe doch
nichts auf das Gerede der von den Firmen
umgeschickten Reisenden, die erwiesener-
maßen vielfach gar nichts von den künst-
lerischen Forderungen der Paramentik ver-
stehen, die aus
irgendeiner anderen
Branche heraus ein-
zig wegen ihrer Rede-
gewandtheit einge-
stellt wurden. Der
Geistliche sollte es
unter seiner Würde
erachten, sich von
diesen Leuten „Ge-
schmack" einreden
zu lassen. Kompe-
tent kann nur der
Reisende sein, der
sich in seinem Ge-
schäfte von Grund
aus auskennt, der
selbst Fachmann ist,
der also den Web-
stuhl bzw. die Nadel
zu handhaben weiß;
und auch ihm ist
nur dann ein Urteil
über die Wirkung
eines Gewandes zu-
zutrauen, wenn er
selbst kultivierten Ge-
schmack mitbringt,

Abb. 22.

wenn er selbst in gewissem Grade ein Künst-
ler ist. Glücklicherweise haben wir heute
Männer und Frauen, denen eben dieses Urteil
zuzutrauen ist, die ihrer Aufgabe voll und
ganz gewachsen sind. Die Frage nach der
Erlaubtheit einer bewußten Anlehnung un-
serer kirchlichen Stickkunst an die heute
so stark kultivierte profane beantwortet sich
hier nicht so leicht. Wenn wir einen Rückblick
werfen auf die Leistungen der letzten Jahre, wie
sie sich in ihrem Niederschlag beispielsweise
in der „Stickereizeitung" (Koch-Darmstadt)1)

l) Der Bezug dieser gediegenen Zeitschrift sei auch
den Paramentenvereinen angelegentlichst empfohlen.

darbietet, so können wir nicht umhin,
hier scharf zu scheiden zwischen dem, was
als Mode und dem, was als wirklicher
Z e i t s t i 1 anzusprechen ist. Ersteres ist
nicht von Dauer und hat nur für kurze Zeit
Gültigkeit, letzteres hat in gewissem Grade
Ewigkeitsgültigkeit. Daß wir in der profanen
Stickerei einen großen Schritt vorwärts
getan haben, daß wir alle Anzeichen eines
neuen Stiles hier finden, ist ebenso erfreulich
wie beachtenswert. Die unter Nr. 29 - 32 ab-
gebildeten Paramen-
te, die zum Teil auf
Anregung des Ver-
fassers entstanden,
mögen zeigen, daß
der kirchlichen Para-
mentik eine große
Bewegungsf reihei t
gegeben ist, und daß
der Möglichkeiten
zu einer originellen
und neuartigen Ge-
staltung recht viele
sind. Zur Beruhi-
gung ängstlicher Ge-
müter sei bezüglich
dieser Kaselform und
Ausstattung aus-
drücklich bemerkt,
daß Se. Heiligkeit
Papst Pius X. im
verflossenen Jahre
eine derartige Kasel
für seinen eigenen
Bedarf sich anfer-
tigen ließ. Bezüg-
lich eines heute stark
in Anspruch genom-
menen, aber wenig gepflegten Zweiges der
Paramentik, der Fahnenstickerei, dürfen wir
wohl auf den im vorigen Jahrgang dieser
Zeitschrift veröffentlichten Aufsatz verweisen.
Tausenderlei wäre zu sagen, zu raten und
zu warnen auf dem weiten Gebiete der Kir-
chenkunst, hier geht es nicht an, zu sehr ins
Detail zu gehen. Aber alle Vorschläge und
alle Mahnungen sind ein Nichts, falls der
Betätigung des Klerus auf dem Gebiete
kirchlichen Kunstschaffens die Grundlagen
mangeln. Die sind einmal eine immer mehr
sich steigernde Vertrautheit mit künstlerischen
Gesetzen, deren Kenntnis zugleich den Aus-

Altarkreuz mit Email- und Steinschmuck
von Joh. Vorfeld, Kevelaer.
 
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