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Zeitschrift für christliche Kunst — 26.1913

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Heft 1/2
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Witte, Fritz: Unsere Aufgaben: Ein offenes Wort über die kirchliche Kunst an Klerus und Laien
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https://doi.org/10.11588/diglit.4358#0037

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1913. _ ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 1/2.

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gangspunkt und die Vorbedingungen für eine
geordnete Geschmacksbildung darstellen,
eine Vertrautheit mit den kostbaren Schätzen
alter Zeit, mit der Geschichte ihres Werdens,
ihrer Blüte, ihres Verfalles, Vertrautheit auch
und Nutzbarmachung der unserer wunder-
samen Liturgie innewohnenden Anregungen,
die wie eitle Goldbarren so vielfach un-
gehoben daliegen. Der Klerus muß sein
altes Interesse wieder wach werden lassen
und das Streben sich wieder zu eigen machen,
ein Kulturträger sein zu wollen im schönsten
und weitesten Sinne. Er besuche die Museen,
die nicht zuletzt gerade
für ihn alljährlich Tau-
sende opfern durch Er-
werbung vorbildlicher
kirchlicher Kunstwerke
vergangener Zeiten, an
denen er lernen und sich
begeistern soll. Der
Geistliche soll aber auch
teilnehmen an der Be-
fruchtungsarbeit, die
wir den Künstlern
unsererseits schulden.
Nehme er in müßigen
Stunden einmal seine
Begräbnisliturgie, das
Officium defunctorum
her, und da vornehm-
lich das dies irae, diese
wundersame ergreifende
Sequenz, und lasse er
Wort um Wort und
Satz um Satz in ihrer
packenden Kraft auf
sich wirken; dann gehe er auf den Friedhof
seiner Pfarre und schaue sich an, welch geist-
losen Formelkram die Grabsteinfabriken dort
für seine heimgegangenen Pfarrkinder geliefert
haben, während doch die Liturgie der Ge-
danken- und Ausgangspunkte für die künst-
lerische Grabmalkunst eine fast erdrückende
Menge bietet. Ist jemals von einem Künstler die
ganze grandiose Herrlichkeit undMacht und die
Wucht der Erscheinung des wiederkehrenden
Gottessohnes unter dem Funkeln seines licht-
strahlenden Kreuzes packender, ergreifender
gezeichnet worden, wie die wenigen Worte des
dies irae ihn uns an das Himmelszelt zaubern?
Den rex tremendae maiestatis? — Solche Ge-
danken müssen in der Kirche, auf der Kanzel

Abb. 2t. Tabernakeltür.
Getrieben von Joh. Vorfeld, Kevelaer

in Worte, auf den Wänden und dem Altare
in Stein und Farbe gefaßt, zu den Gläubigen
sprechen. Wie dazu einmal ein warmes
Priesterherz und rhetorische Begeisterung
gehört, so für den künstlerischen Vortrag
auch eine empfängliche, mitfühlende Künst-
lerseele, die auch in einer gewissen Künstler-
rhetorik ihr Fühlen und Empfinden von
sich zu geben weiß. Das kann kein Fabrikant,
kein Handwerksmeister, mag er noch so
fromm und noch so strebsam sein; ihm fehlt
die Handschrift wie der Wortschatz, Großes
auch groß niederzuschreiben auf die Kirchen-
wände.

Überall ruft's also
in der kirchlichen
Kunst nach dem Künst-
ler von Gottes Gnaden.
Mit dem Priester soll
der Künstler gehen!
Wahrhaftig, wenn im-
mer ein Konkordat
gottgewollt ist, dann
ist es dieses. Aber
eine scheinbar
unüberbrückbare Kluft
tut sich auf zwischen
Künstler und geist-
lichem Auftraggeber.
Und aus dieser Kluft
grinst ein Schreckens-
gespenst, das so ganz
„von dieser Erde" ist:
das leidige Geld,
die Preisfrage.
Es wird kein vernünf-
tiger Mensch, auch kein
vernünftiger Künstler, dem Pfarrer eine haus-
hälterische Finanzverwaltung zum Vorwurf
machen wollen, aber Sparsamkeit ist bisweilen
gleichbedeutend mit Unklugheit, wenn nicht
gar mit Verschwendung. Wenn die Tribute
der Frömmigkeit und des Opfersinnes unserer
Katholiken in minderwertiger, sogenannter
Kirchenkunst angelegt werden, so tragen
sie keine Zinsen und sind deshalb schlecht
angelegt; nicht einmal ein totes, ein ver-
lorenes Kapital sind sie. Kein Künstler
wird die Konkurrenz einer der vielen kirch-
lichen Kunstanstalten aus dem Felde schla-
gen können. Seine Arbeit kostet ihn selbst
Geld und nochmals Geld, er macht Entwürfe
ad hoc, er macht Studien, er verwirft und
 
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