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Zeitschrift für christliche Kunst — 26.1913

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Heft 1/2
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Witte, Fritz: Unsere Aufgaben: Ein offenes Wort über die kirchliche Kunst an Klerus und Laien
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https://doi.org/10.11588/diglit.4358#0038

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1913. _ ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 1/2.

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baut wieder auf, bis er schließlich in seinem
Entwürfe das Rechte gefunden zu haben
glaubt. Er bringt es nicht über sich, aus
einer Sammlung alter Modelle das eine und
andere hervorzuholen und vielleicht zum
zehnten Male zu kopieren, er hat das Bedürf-
nis, für jeden Einzelfall auch den speziellen
Entwurf zu machen. Das kostet Geld. Ein
anderes wichtiges Kapitel gehört hierhin,
das von den Entwürfen „ohne Verbindlich-
keit". Der Pfarrer läßt sich von einem
halbem Dutzend Bewerber Gratisentwürfe
anfertigen für irgend
eines seiner Pro-
jekte. Es gehört
dazu schon eine
völlige Unkenntnis
der Arbeitsleistung,
die ein künstle-
rischer Entwurf
für einen Altar oder
irgendeinen anderen
Gegenstand erfor-
dert, um kaltblütig
von den Bewerbern
zu verlangen, ihre
Vorschläge in sau-
beren Skizzen usf.
vorzulegen, ohne daß
ihnen dafür ein Ent-
gelt gegeben wird.
Der Entwurf, sei
er für 'Malerei, für
Plastik oder Gold-
schmiedekunst, er
erfordert Können,
er stellt eventuell
ein wertvolles Ob-
jekt dar, den wich-
tigsten Teil oft des Werdeganges eines Kunst-
werkes. So etwas pflegt man im gewöhnlichen
Leben zu bezahlen. Gewiß sind auch viele
Künstler dazu bereit, unentgeltlich Entwürfe
zu machen, warum? Weil die Not sie treibt,
weil diejenigen es ebenfalls tun, die sie ihre
Konkurrenten, besser gesagt ihre Unter-
drücker nennen, die Fabrikanten der Kunst.
Und diese siegen [zumeist, weil sie einmal
ganz nach dem Geschmack oder Ungeschmack
des Bestellers arbeiten und nicht nach künst-
lerischen Gesetzen oder aus einer künst-
lerischen Überzeugung heraus, weil bei ihnen
auch hier die Massenproduktion im Spiele

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ist, weil ihnen vielfach auch die Gabe der
Redegewandtheit eigen ist. Der Künstler
wird erst warm, wenn er an der Seele des
Pfarrherrn eine Saite findet, die mit seiner
eigenen zusammenschlägt, wenn es auch nur
die der Begeisterung für die Kunst ist, nicht
einmal des künstlerischen Verstehens. Aber
auch dann wird ihm geschäftliches Zureden
unmöglich sein. Der wahre Künstler ist
bescheiden, daran erkennen wir ihn zunächst.
Fordert der geistliche Auftraggeber Archi-
tekten oder Bildhauer, Maler usf. zu einer

Bewerbung auf, so
setze er wenigstens
einen geringen Preis
aus als Entgelt für
diejenigen, deren
Arbeit vergebens
gewesen; derjenige,
der den Auftrag
ausführt, mag eben
darin seine Bezah-
lung finden. Der
Pfarrer, der diesen
Weg beschreitet, tut
Gutes; er wird auch
niemals das grau-
same, unwürdige,
leider zu oft geübte
Experiment machen,
die Preisveranschla-
gungen der ein-
zelnen Bewerber
gegeneinander aus-
zuspielen, um sie
zu drücken. Auch
hier gilt, daß der
tüchtige leistungs-
fähige Stadtschnei-
der teurer, aber auch besser, der Dorf-
schneider billiger, aber auch weniger ele-
gant arbeitet. Man muß mit Künstlern
Fühlung haben, um einen Blick tun zu
können in die Hoffnungslosigkeit dieser
strebsamen Männer, die sich immer wieder
aus den Kirchen durch Fabrikanten ver-
drängt sehen, weil ihr Kostenanschlag
über den ihrer Konkurrenten aus der
Massenbranche hinausging. Die Verant-
wortung dafür, daß die von
Gott uns für die kirchliche
Kunst gegebenen Talente dar-
ben oder gar aus der Laufbahn

Ziborium von Joh. Vorfeld, Keveiaer.
 
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