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Zeitschrift für christliche Kunst — 26.1913

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Heft 1/2
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Witte, Fritz: Unsere Aufgaben: Ein offenes Wort über die kirchliche Kunst an Klerus und Laien
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https://doi.org/10.11588/diglit.4358#0039

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1913. ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 1/2.

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herausgedrängt werden, wer
trägtsie? Es drängt uns, unseren geist-
lichen Amtsbrüdern von dieser Stelle aus
uns bittend zu nahen, daß sie ablassen, dem
unverkennbaren Willen Gottes in die Arme
zu fallen und einer elenden Afterkunst die
Kirchen zu öffnen. Hier gibt's keine Rück-
sichtnahme! Haben wir gefehlt, uns geirrt,
warum sollen wir nicht verbrennen, was wir
bislang angebetet haben, und anbeten, was
wir bisher verbrannt haben, weil — es uns
zu teuer schien? Sünden dieser Art haben
wir alle auf dem
Gewissen, wir
beichten sie und
bessern uns. Ihr
Diener des Al-
tares alle, die
Ihr über Mil-
lionen alljährlich
im deutschen
Vaterlande ver-
fügt zu kirch-
lichen Kunst-
zwecken, lasset
den warmen

Appell, der hier
an Euch gerich-
tet wird, nicht
ungehört ver-
hallen, tut Euch
zusammen, er-
scheint auf dem
Plane, einmütig
und darum stark,
und greifet zur
Fahne macht-
voller Kultur,
die Euren Händen, zum Hohne und Spott
Eurer Feinde und Hasser, leider entfallen
wollte und tragt sie Euren Gläubigen voran
als das Panier Eurer Kirche und ihres
Fortschrittsprinzips. Nehmet irgend eines
der Euch zur Hand liegenden süßlichen
Heiligenbildchen und legt sie neben diese
tieffromme, holdselige Madonna in Abb. 12,
neben den hl. Antonius in Abb. 14. Bei
welchen liegt nun die Erbauung, wo ist die
Schönheit? Wo spricht kernige Frömmig-
keit und in welches Künstlers Herz war
das Bild der hehren Himmelskönigin wahr-
haft lebendig? Ist einer unter unseren Amts-
brüdern, der, besäße er die entzückende

Abb. 25. Kelch von Gabr. Hermeling, Köln (Inhaber J. Kleefisch).

Marmorgruppe, die Frage stellen würde: Hat
sie den rechten Stil? — Stilgerecht und echt
ist zunächst nur das Schöne und Gute, der
wahre Künstler bringt Euch nichts ins
Gotteshaus, das stilistisch nicht paßt. So-
lange der Klerus vor allem anderen die elende,
alles Kunstschaffen behindernde Stilfrage
ernsthaft stellt, ob gotisch oder romanisch,
solange bekommt er Kunst in seine Kirche,
die an einer theatermäßigen Aufmachung
krankt, die eine Art von Putzprodukt ist, —■ :
Armselige Mache! Eine ganze stattliche

Schar von Künst-
lern steht an
den Pforten der
Kirche und pocht
und bittet um
Einlaß. Die
Türen auf
für sie! Mit
ihnen werden,
um nochmals mit
Friedrich Over-
becks Worten zu
reden, die Harfen
der Kunst in der
Kirche Psalmen
allezeit ertönen
lassen zum Lobe
des Herrn.

Damit ge-
winnt der Prie-
ster aber noch
weit mehr: Die
Besten der Guten
wird er an sich
und seine Kirche
ketten, neueApo-
stel des Glaubens und echt deutschen frommen
Sinnes gewinnt er in den Künstlern. Wer
will den Segen bemessen, der aus ihren
Werken in die Herzen von Millionen Gläubi-
gen fällt, wenn die edle Kunst auch wieder
ihren Einzug halten kann in Feld und Haus?
Nicht eher ist das möglich, als bis der Klerus
die tüchtigsten Talente für sich gewonnen
und seinen eigenen Aufgaben dienstbar ge-
macht hat. Ganz von selbst und mit Stolz
und Freude wird die kirchliche Kunst sich
auch der Massenkunst im guten Sinne an-
nehmen und sie veredeln. Die Förderung guter,
wesensechter kirchlicher Kunst ist somit auch
eine eminent seelsorgliche Tat!
 
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