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Zeitschrift für christliche Kunst — 26.1913

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Heft 3
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Witte, Fritz: Kirche und Landschaftsbild
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https://doi.org/10.11588/diglit.4358#0046

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67

1913. - ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 3.

Abb. 1. Sorau in Brandenburg.

abgenutzte Schlagwort „Bodenständigkeit"
am Platze. Eine wuchtige Berglandschaft
mit prätentiös in die Erscheinung tretenden
Felsmassen verlangt diktatorisch eine brei-
tere und geschlossenere Behandlung auch
der Architektur, vornehmlich der Kirche;
sie widerstrebt einer kleinlichen Auflösung
der Silhouette in unruhiges Kleinwerk.
Warum wirken in den Bergdorfen der Alpen
und Tirols manche der alten einfachen
Barockkirchen so ungewöhnlich malerisch
und lustig, aber auch so ruhig zugleich und
in so bewundernswerter Harmonie mit der
Umgebung? Weil das einfache, feierlich be-
häbige Satteldach, weil die ruhigen Kurven
der Fassaden und die weichen Umrißlinien
der Turmhnuben wie Untertöne, wie ein
verhallendes Echo fast der Bergrückenlinien
sich darstellen. Wer heute an der Brenner-
straße und in der „Fremden"-Schweiz die
Kirchen mit den grünen, spitzen Turm-
helmen mit ihren älteren Vorgängern ver-
gleicht, wird letzteren bedingungslos den
Preis zuerkennen.

Die in Stadt und Dorf gestellte Kirche
hat Rücksicht zu nehmen auf die Dominante

der heimischen Architektur, sie soll weder
rücksichtslos über die Wohnhäuser hinaus-
ragen, noch in ihnen verschwinden. Zen-
trum, Kristallisationspunkt muß sie sein, im
Dorfe für die Gesamtheit des Häuserkom-
plexes, im Stadtbild ebenso, oder, wo bereits
andere Kirchen oder beherrschende Archi-
tekturen vorhanden sind, zum mindesten
für d i e Baugruppe, deren Mittelpunkt oder
Herz sie darstellen soll (s. Tafel und Abb. 1).
Beispiele aus alter Zeit weist unsere engere
und entferntere Heimat trotz der vielfach
in Großmannssucht oder Unverstand vor-
genommenen „Verbesserungen" glücklicher-
weise noch in großer Menge auf. Aus dem
platten Lande mit seinen Felderaufteilungen,
Gärten usf. leitet ein niedriger Baumgürtel
hinüber zu den die Örtchen und Städte
umfassenden kleinen Häuschen, oder in un-
seren mittelalterlichen Festungsstädten zu
dem malerischen Stadtgürtel der Mauern,
über deren schlichte Horizontale die far-
bigen Dächer der an die Festungswerke an-
gelehnten Häuser und Hütten lugen. Die
Linie bewegt sich langsam aufwärts bis zum
Marktplatze, wo die Häuser der Vornehmen
 
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