Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 26.1913

DOI Heft:
Heft 3
DOI Artikel:
Witte, Fritz: Kirche und Landschaftsbild
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4358#0047

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
69

1913. _ ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 3.

70

Abb. 2. Havelberg.

mit ihren Giebeln und Türmchen ragen,
deren Aufwärtsstreben die Kirche aufnimmt
mit ihren wuchtigen Dächern und Giebeln,
selbst für sich aufgebaut mit den Auftakten
der niedrigeren Seitenschiffe und Chörchen
und dem wie ein großer Akkord ausklingen-
den Turme (Abb. 2). Oder es steht die Kirche
im Berggelände wie eine andere Akropolis
auf leichter Erhöhung, wie der Bergriese
steht inmitten seiner Trabanten und Kuppen.
Das sind Bilder, die wie nichts mehr in der
Welt die Harmonie zwischen Natur und
Kunst, ihr starkes Konkordat zur Erhe-
bung menschlichen Geistes kennzeichnen,
das ist der feierliche Rhythmus zwischen
Gottes- und Menschenwerk, wo Bild und
Ebenbild ihre Verwandtschaft zeigen. Grund-
bedingung für die wohltuende Harmonie der
Formen und Farben ist die Anpassung
an die gegebenen Verhältnisse. Ins
Dorf gehört kein Domain die Stadt keine
Dorfkirche. Wer immer sich von der Wahr-
heit dieses Satzes überzeugen will, der fasse
das Bild ins Auge, das am Sterbeorte des
großen Sachsenapostels Ludgerus in Biller-
beck in Westfalen sich ihm bietet. Hier
hat ein begabter Künstler mit der fast un-
möglich zu lösenden Aufgabe gerungen, in

ein biederes Dorf eine ragende Domkirche
setzen zu müssen. Man streicht von vorne-
herein mancherlei an Kritik ab, wenn man
bedenkt, daß es sich hier um eine ganz ex-
zeptionelle Aufgabe handelte, um die Re-
präsentationskirche eines Wallfahrtsortes,
einer ganzen Diözese. Dennoch ist und
bleibt der reiche Bau im Dorfbilde ein
Störenfried, mag auch die Hügelformation
des Landes, der hohe Standort usf. den
schiefen Eindruck mildern. Eine solche
Kirche wäre denkbar gewesen als Teil eines
geschlossen gebauten Gebäudekomplexes,
einer großen Abtei mit weiten Kloster-
trakten, die dem Bau das Wachstum ver-
mittelt hätten. Dagegen halte man das
märchenhaft schöne Bild mehrerer Dom-
und Abteikirchen am Lahnflüßchen: Arn-
stein, Limburg usf. Der Dom zu Limburg
ist eins mit seinem Baugrund, mit ihm ver-
wachsen, aus ihm herausgewachsen, eine
von Menschenhand geschaffene Bergerhöhung,
deren Schmuck an Stelle der Natur des Künst-
lers Genius hervorzauberte. Als wollten sie
sich wärmen, kauern die Kanonikate ihm.
zur Seite, ruhen gewissermaßen in seinem
Schöße, begleiten sein Wachstum mit ihren'
himmelanstrebenden Giebeln. Und doch!.'
 
Annotationen