Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 26.1913

DOI Heft:
Heft 3
DOI Artikel:
Witte, Fritz: Kirche und Landschaftsbild
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4358#0048

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
71

1913. _ ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr 3.

72

Abb. 3. Nfiuzelle in Brandenburg.

wie bescheiden und ehrlich bekennen sie,
daß sie nicht das sind, was ihre Mutter und
Schützerin ist, nicht Kirche, sondern Wohn-
bau: Sie begnügen sich mit Fachwerk-
wänden, sie verzichten auf den monumen-
talen auszeichnenden Schmuck. Ein Bild
von klassi-cher, unvergänglicher Schönheit,
ein Schulbeispiel mit lauter gesteigerten
Einzelmomenten von höchster didaktischer
Bedeutung.

Man muß unmittelbar neben das Bild
von Limburg a. d. L. das von Neuzelle in
Brandenburg halten, um das Begriffliche in
der Forderung der Anpassung des Kirchen-
baues an die Verhältnisse voll und ganz zu
fassen (Abb. 3). Was beim Limburger Dom der
Felsen, das ist bei der Neuzeller Kirche der
Häusergürtel, aus dem sie dominierend, aber
in organischer Einheit herauswächst, mit
den Gebäuden auf den weiten grünen Prä-
sentierteller der flachen Landschaft gestellt.
Mögen beide Kirchen an sich noch so schön
sein, würde man sie aus ihrem Zusammen-
hangeherausreißen, sie sänken zu Ausstel-
lungsobjekten herunter. Mit dieser Tatsache
verknüpft sich aufs engste die andere, daß

unsere mittelalterlichen Dome in ihrer frei-
gelegten Selbstherrlichkeit an künstlerischer
Wirkung unendlich viel verloren haben.

Wenn wir in Heft 1—2 darauf hinwiesen,
daß neue Aufgaben auch neue Lösungen
fordern, so gilt das vornehmlich auch im
Hinblick auf das Gesetz von der Anpassung
an gegebene Verhältnisse. Paßt eine ge-
zierte, gotische Dame in die Umgebung von
wuchtigen, vielfach auch monumentalen
Warenhaustrakten, Banken, Börsen und
Vereinshäusern? Die Konkurrenz hält die
zierliche, schmucke Gotik nicht aus, sie
erniedrigt das Gotteshaus in seiner Umge-
bung zu einer Spielerei. Wir betonen aber
ausdrücklich, daß damit nicht gesagt sein
soll, daß dieser selbe gotische Stil in seinen
charakteristischen Erscheinungsformen in
der Hand eines genialen Baukünstlers nicht
bildungsfähig wäre, um auch in einer solchen
Umgebung merklich zu Worte kommen zu
können.

Nochmals die Anpassung an die gege-
benen Verhältnisse: Ins Dorf die Dorfkirche,
in das Villenviertel der reichere Repräsen-
tationsraum; eine Vertauschung wäre für
 
Annotationen