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Zeitschrift für christliche Kunst — 26.1913

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Heft 3
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Witte, Fritz: Kirche und Landschaftsbild
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https://doi.org/10.11588/diglit.4358#0049

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1913. _ ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 3.

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das Wohngebiet der Reichen ein Un-
ding, füs das Dorf wäre sie nicht weniger
verhängnisvoll. Aus dem Bedürfnis und
den Verhältnissen heraus! Dieser Grund-
satz schützt vor jeder Torheit. Der
Kölner Dom mit seiner Umgebung — die
lauschige passende Dorfkirche zwischen
den niedlichen reinlichen Fachwerkhäusern
der kleinen Bauern; die auf den Dom
zuführenden breiten Straßen mit Straßen-
bahnen und jagender Menge — die stille
Dorfstraße mit dem pferdebespannten
Leiterwagen, mit plaudernden Frauen an
der Hecke des blumengeschmückten Haus-
gärtchens, — welchem Bilde gehört der
erste Preis, dem Dom oder der Dorfkirche?
(Abb, 4.) Beiden, sofern sie sich ihrer
Umgebung an- und eingliedern. Anders,
wenn zwischen den 20 Häusern des Dorfes
das Parvenutum sich emporrekelt, ein
hoher, aber häßlicher Turm, eine große, zu
große und unpassende Kirche, mit Haustein-
fialen, mit Strebebögen, zwei Türmen und mit
himmelhohen, spitzen Helmen. Den Sprung
von seinen häuslichen Verhältnissen bis zu die-
sem Großstadtreichtum an und in der Kirche
wird der Bauer nicht ertragen und er wird sich
im Gotteshause genau so fremd und ungemüt-
lich fühlen wie im rot ausgeschlagenen Abteil
1. Klasse auf der Eisenbahn. Der Bauer
muß nicht nur, er will 4. Klasse fahren,
auch in der Kirche; dann erst fühlt er sich
heimisch, dann erst betet er. Fällt mit
dieser lapidaren Forderung denn die Mög-
lichkeit, eine schöne Kirche zu bauen?
Im Gegenteil. Man genieße offenen Auges
und verständigen Herzens die anspruchslosen
Bild hen zweier gotländischer Kirchen hoch
oben in Skandinavien. Das Dorfkirchlein
von Bro (Abb. 5), das seine praktische Innen-
einrichtung durch sein Äußeres klar genug be-
kennt, ist in seiner anspruchslosen Einfachheit
ein Kunstwerk von ganz enormem Werte;
wuchtig, echt, einfach, und doch so reich
und prächtig, weil hier alles wahr und
zweckentsprechend ist. Und wie malerisch ist
die kleine Stadtkirche von Dothem eben-
dort, die auf einen Turmhelm verzichtet
und durch das steile Satteldach auf dem
weiß verputzten Bruchsteinmauerwerk eine
ganz ungewöhnlich dominierende Stellung im
Stadtbilde sich erringt (Abb. H). Die behäbig
über die Ohren gezogene Dachhaube mit





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Abb. 4. Wolfisheim i. Eis.

dem kleinen Dachreiter verhindert die Ver-
flüchtigung der Baumassen, und hält sie zu-
sammen, daß sie mit den umliegenden Häu-
sern ein größeres Ganzes ausmachen. Bei-
spiele solcher Dorf- und Stadtkirchen bieten
vor allem auch die Rheinlande, Westfalen
und der Osten, und wir wollen froh sein,
daß ein Gesetz durch scharf kontrollierende
Organe über die Erhaltung solcher Kirchen,
und somit künstlerisch wertvoller Land-
schaftsbilder sorgsam wacht. Auch das
fällt unter die ersten Aufgaben des Heimat-
schutzes.

Abb. 5. Kirche zu Bro i. Schweden
 
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