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Zeitschrift für christliche Kunst — 26.1913

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Heft 3
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Witte, Fritz: Kirche und Landschaftsbild
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https://doi.org/10.11588/diglit.4358#0050

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75

1913. - ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 3.

76

Über die Platzfrage, wo und wie die
Kirche in das Stadt- und Dorfbild einzu-
gliedern ist, wird an dieser Stelle zur Zeit
gesprochen werden. Im nächsten Heft werden
wir aus der Feder des
berufenen Fachmannes
eine Erörterung über
die Industriekirche ver-
nehmen.

In das Kapitel
,,Kirche und Land-
schaftsbild" gehören
auch die Wegekapellen
und Heiligenhäuschen,
die hierzulande zumeist
das süddeutsche Bild-
stöckle vertreten. Kein
Pfarrer sollte es zu-
lassen, daß einer seiner
Pfarreingesessenen ohne
sein Zutun igendein
solches Häuschen am
Wege oder im Walde
errichte. Zumeist han-
delt es sich um Ein-
lösung eines Gelübdes
oder um das Gedenken
an ein an derBaustellege-
schehenes Ereignis. An-
dachtsräume im wahr-
sten Sinne sollen diese
Wegekapellchen sein,
die den Passanten zur
kehr locken und zum Beten
bestimmen. Eine intime,
liebenswürdige Stimmung des
kleinen Gebäudes ist hier in
erster Linie vonnöten, und die
hängt im wesentlichen ab von
der Eingliederung der Kapelle
in die Umgebung, vornehmlich
durch die richtige Reduzierung
der Größenverhältnisse. Man
hüte sich, auf eine Miniatur-
kopie einer regelrechten Kirche
zu verfallen und man denke Abb.7.waidkapeiiez.Tüschenbroich.

Abb. 6. Stadtkirche zu Dothem

Ein-

nehmer völlig reizlos sind. Hier sieht man
gotische oder romanische Profile und Fialen,
Kreuzblumen und Maßwerkfenster, einen
ragenden Backsteingiebel mit Hausteinver-
blendung, und das Ganze
planlos ins Feld hinein
gesetzt. Wer Gelegen-
heit hat, die Eisenbahn
strecke Kempen-Geldern
zu fahren ,der kann linker
Hand ein derartiges Mon-
strum mitten im Felde
anstaunen, das wirklich
als Muster ohne Wert
und abschreckendes

Gegenbeispiel unerreicht
dasteht. Wie ganz an-
ders wirkt dagegen das
poetische Waldkapell-
chen in Abb. 7. Wie
lauschig duckt es sich
unter die schattenden
Baumkronen, ein Heilig-
tum, eine Weihestätte
inmitten der Waldein-
samkeit. Welcher Wan-
derer, der des Weges
zieht, wird an einem
solchen Andachtsraume
vorübergehen, ohne sei-
nenFuß über die Schwelle
gesetzt zu haben.
Westfalen hat in der Nähe
seiner Dörfer und Städtchen
noch manche vorbildliche Ka-
pellen bewahrt, die mit unge-
wöhnlich geringen Mitteln eine
starke künstlerische Wirkung
erzielen. So steht in der Nähe
des Dorfes Albersloh am Wege
ein kleiner Fachwerkbau mit
rotem Ziegeldach, das, von
Holzstützen getragen, über die
Eingangstür weg weit ausladet
und so eine Art Vorhalle bil-
det, unter welcher der Wan-

hier doch nicht an die alles vernichtende
„Stilechtheit". Wer über Land zieht, wird
bald herausfühlen, daß in vielen Fällen die
vom primitiven Dorfmaurer oder Tischler
errichteten Heiligenhäuschen künstlerisch am
besten, weil am unbefangensten, solche aber
von einem nüchternen, poesielosen Bauunter-

derer stehen und beten kann, auch wenn die
Gittertür des Andachtsraumes geschlossen ist.
Diesen auch heute noch oft errichteten Hei-
ligenhäuschen sollte man größte Aufmerksam-
keit schenken, sie können, geschickt und stim-
mungsvoll gebaut, leicht zu kleinen Gnaden-
stätten für die Gegend werden. Witte.
 
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