Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 26.1913

DOI Heft:
Heft 4
DOI Artikel:
Witte, Fritz: Die Sage vom hl. Gral und die Liturgie
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4358#0067

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
107

1913- _ ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 4.

108

haupt. Der Glaube an das Vorhandensein
einer Blutreliquie Christi war im ersten Jahr-
tausend ziemlich weit verbreitet, und selbst
die sogen. Patene des hl. Ludgerus in Werden
hat auf der Rückseite einen kleinen Be-
hälter mit der Umschrift ,,desanguine domini
nostri". Nebenbei bemerkt, hat diese Patene
die Form einer Schüssel mit Trichterfuß.
Wolfram v. Eschenbachs Gral zeigt den
Zusammenhang mit der besagten Legende
nur noch locker. Er ist ein Stein.
Sterzenbach bezeichnet diesen Stein direkt
als Altarstein. Pars pro toto genommen, ist
diese Auffassung zweifellos die naheliegende,

behalten sein. Die mittelalterlichen Trag-
altäre haben zum großen Teil die Gestalt
eines Kästchens oder einer Lade, die zu-
gleich als Aufbewahrungsort für die hl. Ge-
räte dienen konnte. Ihre geringe Ausdeh-
nung spricht keinesfalls dagegen, die bislang
gefundenen Kelche, ich nenne als Beispiel
den bekannten Kelch aus Gourdon, der aus
Gold getrieben und mit Glasemail geschmückt
ist, sind vielfach von geringer Größe; dazu
käme noch etwa ein Saugrohr und vielleicht
von den sonstigen liturgischen Geräten der
hl. Speer5). Wiederum Sterzenbach greift
eine Nachricht des „Fredegar" auf, wonach

Abb. 2. Frühchristliche Kommunion. (Nach Fieury.)

da ja bereits im frühesten Mittelalter der
Stein im oder auf dem Altare nicht nur
integrierender, sondern primärer Bestandteil
ist, notwendig für die Gültigkeit der Zele-
bration auf dem Altare. Somit läge die
Annahme nahe, daß wir unter dem Gral
wenigstens ursprünglich einen Tragaltar zu
verstehen hätten. Ich glaube nun nicht,
daß die kleine Tragaltarplatte allein Ver-
anlassung hätte geben können zu den fast
märchenhaft klingenden Notizen über die
Kostbarkeit des Grales. In der Legende
von Joseph v. Arimathaea wird ausdrücklich
gesagt, daß die Abendmahlsschüssel in einer
goldenen Lade aufbewahrt würde4). Diese
Vorstellung dürfte für den Gral beizu-

') Tischendorf, »Evangelia apocrypha«. (Leipzig
1853.) S. 436ff., 448 f.

der Feldherr Aetius dem Könige Thorismund
der Westgoten nach der Schlacht auf den
Katalaunischen Gefilden (451) ein 500 Pfund
schweres, massiv goldenes missorium, an
anderer Stelle orbiculus genannt, geschenkt
habe0)- Dieses missorium wird später zum
Nationalheiligtume der Goten, von ihnen
sorgsam gehütet, von ihren Feinden leiden-
schaftlich begehrt. Das Wort missorium
erklärt Sterzenbach mit Du Cange als mensa,
quod in mensa ponitur7). Ich entscheide
mich anschließend an Papias für die Er-
klärung missorium = vasa quibus sacriricatur.

h) Über die liturgischen Geräte s. d. Verf. „Die
liturgischen Geräte der Sammlung Schnütgen, Köln".
(Berlin 1913.) Kap. „Kelch".

°) a. a. O. S. 18, Anm. 1. Fredegar II. cap. 53.
»Mon. Germ. SS. rer. Merov.« II. p. 74 f.

7) Du Cange, »Glossarium«, s. v. missorium.
 
Annotationen