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Zeitschrift für christliche Kunst — 26.1913

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Heft 4
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Witte, Fritz: Die Sage vom hl. Gral und die Liturgie
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https://doi.org/10.11588/diglit.4358#0069

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1913. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 4.

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liegt hier zu nahe. Der Fisch spielt selbst

im späten Mittelalter noch eine Rolle. So

heißt es im Münchener Nachtsegen:

bi dem namen des großen

des fisses, der da zelebrant

an der messe wird genant.

Und viel später sagt ein Volkslied aus der

Eifel:

Der Fisch, der ist sich Concelebrant.
Er wird sich in allen Gottes Messen genannt9).
Halten wir daran fest, daß wir eventuell in
Fredegars missorium bzw. orbiculus den
hl. Gral erblicken, und die letzte Herkunft
der Berichte scheint uns energisch darauf
hinzuweisen, so würde der Lauf der Gral-
geschicke etwa folgender sein: Der römische
Feldherr Aerius schenkt dem Westgoten-
könige Thorismund das 500 Pfund schwere
goldene missorium = Feldaltar mit zuge-
hörigen liturgischen Geräten = Gral. Als
Trag- und Feldaltar ist dieses missorium der
peinlich gehütete Schatz der Goten, wegen
seiner Kostbarkeit ein begehrtes Beutestück
für den Feind. Der Gral begleitet die Goten
auch in die über ihre Geschicke entscheidende
Schlacht bei Xeres de la Frontera (711) gegen
den Araberfeldherrn Tarek. Der überlebende
Rest der Westgoten flüchtet sich mit dem
Nationalheiligtume ins Gebirge, in die montes
salvationis (= munt salvaiges?)10). Schließ-
lich geht der Gral in den Besitz der Araber
über.

Es ist nun, von allem anderen abgesehen,
interessant, aus dem Wolf ramschen Parzifal
den alten, ganz zweifellos eucharistischen
Kern der Sage herauszuschälen. Mir scheint,
die Gralburg ist nichts anderes als die christ-
liche Kirche, zu der die Zugehörigkeit
am prägnantesten ausgedrückt wird durch
die Gemeinschaft der eucharisti-
schen Tafelrunde. Nach ihr strebt auch
Parzifal. Was uns in dem Aufzuge des Gral
im 5. Buche vorgeführt wird, scheint mir
tatsächlich nichts mehr und nichts weniger
wiederzugeben als eine frühchristliche Opfer-
feier nach mozarabisch-orientalischem Ritus.

9) Mitget. b. Ad. Franz, Die Messe im deut-
schen Mittelalter. (Freiburg 1902.) S. 625, Anm. 1.
Die dort gegebene Erklärung scheint mir gesucht.

10) Ich möchte mich dieser von Mone im Anzeiger
für Kunde des deutschen Mittelalters, Nürnberg 1833,
S. 294 f. ausgesprochenen Ansicht anschließen. Siehe
dagegenSterzenbacha.a.O.S.33. sowie K. Bartsch,
»Germanistische Studien«, II. 139.

Man könnte hier und da die Parallele bis
ins Detail ziehen. An die Stelle der Diakone
und übrigen Kleriker ist die Königin mit
ihren Jungfrauen getreten. Eine feierliche
Prozession beginnt: „Eine ,Tür von Stahl'
öffnet sich am Ende des Saales; heraus treten
zwei Jungfrauen, die auf goldenen Leuchtern
brennende Kerzen tragen. Sodann setzen
zwei weitere Damen zwei Fußgestelle von
Elfenbein nieder zu den Füßen des Wirtes",
andere folgen mit brennenden Kerzen. Vier
tragen dann den Granatjachant, einen
Stein, den ein Künstler zu einer dünnen,
leichten Platte geschliffen hatte.
„Der Wirt von solchem Reichtum aß." Diese
Platte wird auf die vorhin erwähnten Elfen-
beingestelle gelegt. Zwei weitere Jungfrauen
bringen zwei Messer mit scharfen Klingen,
»von Silber weiß", welche sie auf die Stein-
platte legen. Schließlich kommt die Königin,
und auf ihren mit Achmardiseide verhüllten
Händen trägt sie den Gral. Darauf folgt
eine allgemeine Handwaschung. Jeder Ritter
bekommt einen goldenen Pokal vorgesetzt.
Hundert Knappen nehmen in weißen Tü-
chern voll Ehrfurcht Brot vom hl.
Gral und verteilen es unter die Teilnehmer
am Mahle. Darauf folgt eine allgemeinere
Speisung, bei der auch „Fleisch von wilden
und von zahmen Tieren" verabreicht wird.
Nach dem Essen spendet derselbe Gral
auch den Trank in den goldenen Bechern,
„denn hier bewirtete der Gral die werte
Festgenossenschaft". Bei Heinrich von dem
Türlin trinkt der Gralkönig selbst aus dem
Gral durch ein Röhrchen. Chrestien von
Troyes, der erste Bearbeiter der Gralsage,
weiß uns zu berichten, daß der Gral die
Hostie enthält, und auch bei Wolfram
legt die bereits erwähnte Taube am Kar-
freitag eine neue Hostie auf den Gral. Über
die Gestalt des Grales sagt Heinrich von
dem Türlin: »ein schoenes vaz von einer
cristalle. gestein was ez und goldesrich, einer
kefzen was ez glich, diu üf einem alter stet".
Sterzenbach meint mit Rücksicht darauf,
daß auch der Einsiedler Trevrezent in seiner
Klause eine Kefze aufbewahrt, den Schluß
ziehen zu dürfen, Kefze sei identisch mit
Gral. Kefze ist mittelhochdeutsch = kafse,
kafs = Kapsel, = lat. capsa. Die erwähnte
Äußerung des Heinrich v. d.T. gewinnt Halt,
wenn wir die Verordnung Leo IV. ins Auge
 
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