Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 26.1913

DOI Heft:
Heft 5
DOI Artikel:
Hasak, Max: Welches Vorbild ahmen die Basiliken Konstantins nach?, [1]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4358#0079

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
131

1913. - ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 5.

132

wird an einer Längsseite oder in einer Nische
derselben gestanden haben. In der Tat
würde sich eine derartige Raumanordnung
für die Zwecke des christlichen Gottesdien-
stes am besten eignen. Die Querschiffe der
Riesenbasiliken Konstantins bieten ein vor-
zügliches Beispiel hierfür. Der Altar liegt
vor aller Blicken. Die Sitze der Geistlich-
keit umgeben ihn in der Tiefe der Apsis.
Hierzu noch ein kurzes Langschiff, und die
Gemeinde wäre gleichmäßig um Altar und
Kanzel geschart. Gleiches Recht, gleiches
Licht, gleiche Luftfülle, gleiche Möglichkeit,
alles zu sehen und zu hören, ist erzielt.
Warum sollten diese selbstverständlichen
Anforderungen des Christen an sein Gottes-
haus die Baumeister Konstantins weder
begriffen noch ihnen gerecht geworden sein?
Wie kommen sie zu dem ungeheuren
Langschiff, wie zu dem höheren Mittelschiff
mit lichtspendenden Fenstern nur über
einem Teil der Gemeinde und über dem an-
dern nicht? Warum stellen sie endlose
Reihen Säulen hinein, hinter denen die
Hälfte der Gemeinde, eng zusammengedrängt,
nichts sieht? Da war die alte Gerichts-
basilika, soweit wir sie wiederherstellen
können, mit ihrem einheitlichen Mittelsaal
und gleichmäßigen Gängen und Emporen
ringsum ein viel geeigneterer Raum für den
christlichen Gottesdienst. Warum wurden
diese überall vorhandenen, bekannten und
benutzten Räume nicht nachgebildet?

Es muß sich dem eine der heiligsten Er-
innerungen entgegengestemmt haben, die
einen Raum aufzwang, dessen Gestalt nicht
aus den Erfordernissen des christlichen
Gottesdienstes herausgeschaffen worden war.
Auch die galiläischen Synagogen, in denen
Christus gelehrt hat, sind trotz besserer Kennt-
nis auf Grund der jetzigen Ausgrabungen
nicht als das Vorbild der christlichen Basiliken
zu betrachten, wenn sie sich ihm auch ihrer-
seits nähern, wie wir gleich sehen werden.
Nein, das Vorbild der kon-
stantinischen Basilika ist er-
sichtlich die r:esige Pracht-
halle des Herodes an der Süd-
seite desTempelplatzes, in der
Jesus und die Apostel gelehrt
haben.

Sie allein besitzt das kathedralartig er-
höhte Mittelschiff mit den langgestreckten

vier Säulenreihen darunter und den un-
geheuren Prunk der Kassettendecken. Ihre
Säulenreihen enden stumpf zwischen zwei
Giebelwänden und sind von Westen nach
Osten gerichtet. In ihr hatten Christus und
die Apostel gelehrt, die Wunder gewirkt; und
die junge Christengemeinde hatte sich in ihr
wohl anfangs täglich zum Gebete versammelt.
Hören wir, wie sie Josephus Flavius be-
schreibt1) :

„Die vierte Seite [des Tempelplatzes],
die nach Süden zu liegt, hatte ebenfalls
gegen die Mitte Tore, über deren Anlage
sich die „königliche Halle" erhob, die sich
dreigeteilt der Länge nach von der östlichen
zu der westlichen Schlucht erstreckte. Eine
größere Ausdehnung war nämlich unmög-
lich. Sie war aber das wunderbarste Werk
unter der Sonne. Denn während schon die
Aufmauerung über der Schlucht gewaltig
war und niemand, der sich über den Abgrund
hinausbog, ohne Schwindel herabblicken
konnte, so erhob sich darüber noch die
übergewaltige Höhe der Halle, so daß, wenn
einer von der Spitze des Daches daselbst
die beiden Höhen zusammen hinabschaute,
er vom Schwindel erfaßt wurde, da sein
Blick nicht in den unermeßlichen Abgrund
hinabreichte. Es standen aber der Länge
der Halle entsprechend vier Reihen von
Säulen einander gegenüber (die vierte Reihe
war eingefügt in die aus Steinwerk er-
richtete Abschlußmauer), und die Stärke
einer jeden Säule war derart, daß sie drei
Spannweiten sich die Hände reichender
Leute umfaßte, ihre Länge aber mit Aus-
schluß der doppelten Spira 27 Fuß.

Ihre Gesamtzahl betrug 162, ihre Kapi-
telle waren in korinthischem Stile mit Ver-
zierungen ausgearbeitet, die durch die Groß-
artigkeit ihrer Gesamterscheinung Staunen
erregten. Da es aber vier Reihen waren, so
sondern sie die drei Räume durch Säulen-
hallen ab. Von diesen sind die beiden
parallelen auf die gleiche Art gebildet, eine
jede in der Breite von 30 Fuß, ein Sta-
dium 1 a n g und über 50 Fuß in der Höhe
messend. Die Breite des Mittelraumes hin-
gegen ist anderthalbmal, seine Höhe doppelt
so groß. Denn es ragte sehr hoch über die
Räume zur Seite empor.

J) Josephus Flavius, «Antiquitates» 15.11.5.
 
Annotationen