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Zeitschrift für christliche Kunst — 26.1913

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Heft 5
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Hasak, Max: Welches Vorbild ahmen die Basiliken Konstantins nach?, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4358#0083

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139

1913. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 5.

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ist aber der Tempelplatz viel breiter, fast
900 Fuß breit. Folglich muß sich Josephus
„geirrt" haben. Selbst mit dem alten Juden-
stadion, wie es Schick versuchte, kommt
man zu keinem befriedigenden Ergebnis5).

Mit dem „Irren" der alten Bericht-
erstatter und den „gefälschten" Urkunden
hat es aber häufigst die merkwürdige Be-
wandtnis, daß derjenige, der in der Neuzeit
darüber schreibt, sich irrt.

Das ist auch hierbei der Fall. Die Lösung
ist einfach, wenn auch bisher niemand auf sie
verfallen ist.

Der Tempelplatz war am Südrande zu
Herodes und Christi Zeiten nicht so breit
wie heutzutage, sondern genau 1 Stadion -
600 Fuß, wie es Josephus angibt. Das hat
man bisher übersehen. Hören wir Prokop,
den Geschichtschreiber Justinians, wie die
jetzige Breite der Südseite erst entstanden
ist. Er schreibt6):

„In Jerusalem errichtete er [Justinian]
einen Tempel der Muttergottes, der mit
keinem andern irgendwie verglichen werden
kann. Die Neue Kirche nennen sie die Ein-
wohner. Was und wie sie ist, werde ich
selbst erklären, nur schicke ich voraus, daß
diese Stadt nämlich sich fast ganz über
Hügel erstreckt, über Hügel sage ich, nicht
aus Erde, sondern über schroffe, harte und
abschüssige, durch welche Wege und Pfade,
ähnlich wie Stufen, aus der Höhe sich schräg
hinab erstrecken. Die übrigen Gebäude der
Stadt sind alle auf einem Platz errichtet,
nämlich entweder auf einem Hügel oder in
der Ebene gemäß der Öffnung der Erde.
Nur dieser Tempel erhebt sich nicht auf diese
Weise. Der König Justinian befahl nämlich,
ihn am Fuße der Hügel herzustellen, neben
anderem auch bestimmend, wie die Breite
und Länge des Tempels sein sollte. Der
Hügel reichte so nicht hin für des Königs
Befehl und für das Erfordernis des zu be-
ginnenden Baues. Nämlich nach Süden und
Sonnenaufgang, wo der Priester die heilige
Handlung vornimmt, fehlte ersichtlich der
vierte Teil des Heiligtums. Daher erdachten
diejenigen, denen der Bau aufgetragen war,
folgendes: Über den Grundmauern, die in

6) Schick, »Die Stiftshütte, der Tempel in Jeru-
salem«. 1896.

6) Prokopius, »De aedificiis Jüstiniani liber V.«
Basel o. J., S. 449.

die tiefsten Teile der darunter liegenden Erde
hineingesenkt waren, errichteten sie einen
Bau, der bis zur Höhe des Felsens sich erhob.
Darauf schlugen sie auf der obersten Spitze
der Mauern Gewölbe und passen das Ge-
bäude durch den Fußboden der Erde an.
Auf diese Weise wurde der Tempel hier auf
festen Felsen befestigt, dort in der Luft er-
richtet, da des Königs Macht dem Hügel
eine andere Gestalt künstlich aufgenötigt
hatte. Die Steine aber dieses Baues sind von
jener Größe, die wir kennen. Die Künstler
dieses Baues, nämlich im Kampf mit den
Eigenheiten des Ortes und willens, vom ent-
gegengesetzten Ende her den Unterbau der
Höhe der Felsen gleich zu machen, entblößt
aller Hilfsmittel, die sie gewohnt waren,
betrieben zu bewundernde und bald ver-
gessene Untersuchungen und Kraftanstren-
gungen. Denn die breiten und ungeheuren
Steine aus den Bergen, welche sich der Länge
nach vor der Stadt erheben, wurden heraus-
geschnitten und fein bearbeitet und auf
folgende Weise von dort fortgefahren. Man
stellt für die Größe der Steine gleich große
Wagen her, und nachdem die einzelnen
Steine auf je einen Wagen gelegt, zogen sie
40 Ochsen, die vom Könige gestellt wurden.
Aber da sie durch die Wege, welche zur
Stadt führen, die Wagen nicht hindurch-
bringen konnten, machten sie dieselben
durch Fortbrechen vieler Berge passend für
die hindurchzuführenden Wagen. Und so
führten sie den Tempel in der Länge auf,
wie es der König wollte, dem sie auch die
Breite gaben, die er nach vernünftigem Maße
haben mußte. Dem Tempel aber das Dach
aufzulegen, konnten sie gar nicht. Sie gingen
daher durch die Wälder und waldigen Gegen-
den, wo sie gehört hatten, daß es einen Ort
mit hohen Bäumen gäbe. Sie fanden einen
Wald, reich an Zedern; Zedern von solcher
Höhe, wie sie gerade für die festgesetzte
möglich waren. Aus diesen gaben sie schon
das Dach dem Tempel gemäß dem Plan und
den herbeigeschafften Längen.

Das hat der König Justinian also durch
menschliche Gewalt und Kunst bewirkt. Es
wuchs aber die Hoffnung der Religion, die
auch für den König Ruhm bringt; und
diesem Eifer half er, und ihn beförderte er.
Dem Tempel waren überall Säulen nötig,
deren Art und Größen aber nicht nach der
 
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