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1913. _ ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 5-
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langen immer Beachtung, doch darf man wohl
soviel sagen, daß z. B. für das rheinisch-
westfälische Industriegebiet vorzugsweise der
Backstein als Verblendungskörper in Frage
kommt. Ursprünglich mag zwar der Hau-
stein das heimische Material im Industrie-
gebiet gewesen sein, liegen doch die bezüg-
lichen Produktionsgebiete in nächster Nähe
oder sind durch gute, billige Transportwege
zugänglich gema cht, aber praktisch-technische
Gründe haben doch den Backstein zum haupt-
sächlichsten in Betracht kommenden heimi-
schen Material gemacht: die bedeutenden
Bauaufgaben im dichtbesiedelten Industrie-
gebiet lassen das gewachsene Baumaterial
seltener und teurer werden; das billige Hau-
steinmaterial aber unterliegt so großen
Witterungseinflüssen, daß an Verwendung
schon aus diesem Grunde nicht zu denken
ist. Man möge aber beachten, daß nicht
jede Art von Backstein den Kirchen ein
würdiges Aussehen verleiht. Die gewöhn-
lichen, meist als Kernbaustoff verwendeten
Ziegelsteine oder die knallroten oder zitronen-
gelben häßlichen Verblendsteine haben leider
vielen Kirchen unseres Industriegebiets ein
wirklich abschreckendes Äußere gegeben.
Dun keif arbene, holländische oder nieder-
rheinische Handstrichziegel, sowie die so-
genannten Eisenschmelzklinker sind wohl
das schönste und auch festeste hier in Be-
tracht kommende Baumaterial. Luder ver-
hindert bei letzteren der Kostenpunkt noch
eine umfassendere Benutzung.
Als ein weiterer empfehlenswerter äußerer
Baustoff muß der Kieselputz in Verbindung
mit sparsam angewandter dunkelfarbiger
Hausteinarchitektur bezeichnet werden. In
den noch halbwegs ländlichen Gegenden im
industriellen Westen, wo ausgedehnte
Fabrikanlagen mit zahlreichen qualmenden
Schornsteinen wohl kaum Eingang finden
werden, wo aber doch eine große industrielle
Bevölkerung (Bergarbeiter) wohnt, läßt sich
dieser billige und doch vornehm wirkende
Baustoff vortrefflich verwenden. Diese we-
nigen Zeilen mögen genügen, zu zeigen,
wieviel Überlegung dieser Teil des Kirchen-
äußern verlangt, wenn Mustergültiges ge-
schaffen werden soll.
Demgegenüber glaubt man häufig der Be-
krönung des Gebäudes, der Bedachung, ge-
ringere Aufmerksamkeit schenken zu dürfen.
In technischer Beziehung wäre hier zu-
nächst zu fragen, ob Ziegel oder Schiefer
Verwendung finden sollen. Als heimisches
Material kommt für das Industriegebiet der
grauschwarze Hohlziegel in Betracht,
der bei reinen Backsteinbauten wohl aus-
schließlich zu verwenden ist. Die rote Farbe
ist wegen der verderblichen Rauchwirkung
in rein industriellen Gegenden nicht zu
empfehlen.
Ob Schieferdeckung eingeführt werden
soll, hängt von den besonderen Umständen
ab. Die Dauerhaftigkeit dieses Materials
vereint sich mit der Möglichkeit, dadurch,
in Verbindung mit der Turm- und Dach-
gestaltung, besonders schöne künstlerische
Lösungen zu erzielen.
Aber nicht nur die Wahl des äußeren Bau-
stoffes bedarf bei Kirchen im Industriegebiet
der besonderen Überlegung, auch die innere
Tragkonstruktion muß den anders gearteten
Umständen angepaßt werden. Das Kirchen-
gebäude der großen, tausende Seelen um-
fassenden Pfarreien darf bei größter Ge-
räumigkeit doch der Durchsichtigkeit nicht
ermangeln: Altar und Kanzel sollen der
großen Mehrheit der Kirchenbesucher offen
vor Augen liegen. Dem Mittelschiffe müssen
daher in der Breitenabmessung Maße zu-
grunde gelegt werden, bei denen die Ver-
wendung der alten Baustoffe versagt, wenn
man nicht auf die Durchführung des Prin-
zips der leichten, luftigen Baugestaltung
verzichten will. Da haben wir nun im
Eisenbeton einen Baustoff, der bei weit-
gehendster Ausdehnung der Maße doch ge-
stattet, dem Grundsatz der leichten Kon-
struktion Rechnung zu tragen. Architekt
und Ingenieur müssen hier zusammenwirken,
um die neuen Bedürfnisse in zweckmäßiger
Weise zu befriedigen. Auf die möglichst voll-
kommene Befriedigung dieser neuen eigen-
artigen Bedürfnisse hat man im Kirchenbau-
schaffen der letzten Jahrzehnte zunächst
viel zu wenig Rücksicht genommen, meist
standen so ganz nebensächliche Stilfragen
im Vordergrunde des Interesses und der
Diskussion. Was frommt denn der Gemeinde
die stilgerechteste Kirche, wenn man bei ihrer
Erbauung gar nicht oder nur in geringem
Maße an die neuen Anforderungen gedacht
hat, die den großen Gemeinden in kirchlich-
organisatorischer Hinsicht gestellt sind?
1913. _ ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 5-
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langen immer Beachtung, doch darf man wohl
soviel sagen, daß z. B. für das rheinisch-
westfälische Industriegebiet vorzugsweise der
Backstein als Verblendungskörper in Frage
kommt. Ursprünglich mag zwar der Hau-
stein das heimische Material im Industrie-
gebiet gewesen sein, liegen doch die bezüg-
lichen Produktionsgebiete in nächster Nähe
oder sind durch gute, billige Transportwege
zugänglich gema cht, aber praktisch-technische
Gründe haben doch den Backstein zum haupt-
sächlichsten in Betracht kommenden heimi-
schen Material gemacht: die bedeutenden
Bauaufgaben im dichtbesiedelten Industrie-
gebiet lassen das gewachsene Baumaterial
seltener und teurer werden; das billige Hau-
steinmaterial aber unterliegt so großen
Witterungseinflüssen, daß an Verwendung
schon aus diesem Grunde nicht zu denken
ist. Man möge aber beachten, daß nicht
jede Art von Backstein den Kirchen ein
würdiges Aussehen verleiht. Die gewöhn-
lichen, meist als Kernbaustoff verwendeten
Ziegelsteine oder die knallroten oder zitronen-
gelben häßlichen Verblendsteine haben leider
vielen Kirchen unseres Industriegebiets ein
wirklich abschreckendes Äußere gegeben.
Dun keif arbene, holländische oder nieder-
rheinische Handstrichziegel, sowie die so-
genannten Eisenschmelzklinker sind wohl
das schönste und auch festeste hier in Be-
tracht kommende Baumaterial. Luder ver-
hindert bei letzteren der Kostenpunkt noch
eine umfassendere Benutzung.
Als ein weiterer empfehlenswerter äußerer
Baustoff muß der Kieselputz in Verbindung
mit sparsam angewandter dunkelfarbiger
Hausteinarchitektur bezeichnet werden. In
den noch halbwegs ländlichen Gegenden im
industriellen Westen, wo ausgedehnte
Fabrikanlagen mit zahlreichen qualmenden
Schornsteinen wohl kaum Eingang finden
werden, wo aber doch eine große industrielle
Bevölkerung (Bergarbeiter) wohnt, läßt sich
dieser billige und doch vornehm wirkende
Baustoff vortrefflich verwenden. Diese we-
nigen Zeilen mögen genügen, zu zeigen,
wieviel Überlegung dieser Teil des Kirchen-
äußern verlangt, wenn Mustergültiges ge-
schaffen werden soll.
Demgegenüber glaubt man häufig der Be-
krönung des Gebäudes, der Bedachung, ge-
ringere Aufmerksamkeit schenken zu dürfen.
In technischer Beziehung wäre hier zu-
nächst zu fragen, ob Ziegel oder Schiefer
Verwendung finden sollen. Als heimisches
Material kommt für das Industriegebiet der
grauschwarze Hohlziegel in Betracht,
der bei reinen Backsteinbauten wohl aus-
schließlich zu verwenden ist. Die rote Farbe
ist wegen der verderblichen Rauchwirkung
in rein industriellen Gegenden nicht zu
empfehlen.
Ob Schieferdeckung eingeführt werden
soll, hängt von den besonderen Umständen
ab. Die Dauerhaftigkeit dieses Materials
vereint sich mit der Möglichkeit, dadurch,
in Verbindung mit der Turm- und Dach-
gestaltung, besonders schöne künstlerische
Lösungen zu erzielen.
Aber nicht nur die Wahl des äußeren Bau-
stoffes bedarf bei Kirchen im Industriegebiet
der besonderen Überlegung, auch die innere
Tragkonstruktion muß den anders gearteten
Umständen angepaßt werden. Das Kirchen-
gebäude der großen, tausende Seelen um-
fassenden Pfarreien darf bei größter Ge-
räumigkeit doch der Durchsichtigkeit nicht
ermangeln: Altar und Kanzel sollen der
großen Mehrheit der Kirchenbesucher offen
vor Augen liegen. Dem Mittelschiffe müssen
daher in der Breitenabmessung Maße zu-
grunde gelegt werden, bei denen die Ver-
wendung der alten Baustoffe versagt, wenn
man nicht auf die Durchführung des Prin-
zips der leichten, luftigen Baugestaltung
verzichten will. Da haben wir nun im
Eisenbeton einen Baustoff, der bei weit-
gehendster Ausdehnung der Maße doch ge-
stattet, dem Grundsatz der leichten Kon-
struktion Rechnung zu tragen. Architekt
und Ingenieur müssen hier zusammenwirken,
um die neuen Bedürfnisse in zweckmäßiger
Weise zu befriedigen. Auf die möglichst voll-
kommene Befriedigung dieser neuen eigen-
artigen Bedürfnisse hat man im Kirchenbau-
schaffen der letzten Jahrzehnte zunächst
viel zu wenig Rücksicht genommen, meist
standen so ganz nebensächliche Stilfragen
im Vordergrunde des Interesses und der
Diskussion. Was frommt denn der Gemeinde
die stilgerechteste Kirche, wenn man bei ihrer
Erbauung gar nicht oder nur in geringem
Maße an die neuen Anforderungen gedacht
hat, die den großen Gemeinden in kirchlich-
organisatorischer Hinsicht gestellt sind?