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Zeitschrift für christliche Kunst — 26.1913

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Heft 6
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Habicht, Victor Curt: Eine Miniatur vom Meister der Georgslegende (?)
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https://doi.org/10.11588/diglit.4358#0096

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163

1913. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr 6.

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grau, die Kapuze blau, der daran befind-
liche Pelz schwarz, mit rosafarbenen Glanz-
lichtern gehöht. Das Buch zeigt braunroten
Einband mit goldenen Beschlagknöpfen. Das
Wappen trägt drei herzförmige Schilde auf
blauem Grunde.

Der eben gegebene Versuch einer Schilde-
rung der Farbwerte und Feinheiten sowie
die Abbildung (cf. Abb.) vermögen wohl
den Eindruck hervorzurufen, daß wir es hier
mit einem aller Beachtung würdigen Werke
zu tun haben.

Selbstverständlich erhebt sich bei der
Zustimmung hierzu und bei der Seltenheit
von Porträtdarstellungen aus dieser Zeit
dringlich die Frage: Wer könnte der Ver-
fertiger dieser Miniatur sein? Durch die in
der Inschrift gegebenen Anhaltspunkte läßt
sich mit Recht wohl zunächst auf einen
Kölner Meister schließen. Weiter auf einen
um 1440—50 dort tätigen Maler.

Die daraufhin angestellten Vergleiche er-
gaben auch Momente genug, um einen be-
stimmten Kölner Meister als Verfertiger der
Miniatur anzunehmen. Und zwar scheint
mir unter der an sich nicht großen Auswahl
der sogenannte Meister der Georgslegende
die größte Berechtigung beanspruchen zu
dürfen, als Autor unserer Miniatur zu gelten.
Sprechen schon eine Reihe von allerdings
vorerst nur als zeitstilistisch zu bezeich-
nende Momente, wie Auffassung des Körper-
lichen, Wiedergabe der Tracht, Farbenwahl
und Typenbehandlung hierfür, so kommen
doch auch noch bestimmte, die Künstler-
individualität verratende Merkmale hinzu,
die einigen Grund zur Berechtigung unserer
Annahme hergeben. Was vorerst einmal
die berührten zeitlichen Kennzeichen be-
trifft, so kann es ja keine Frage sein, daß
die Tätigkeit unseres Miniaturisten — nach
Ausweis der Inschrift — mit der des Meisters
der Georgslegende zusammenfällt. Es kommt
hierzu auch noch der hüben wie drüben
unverkennliche Zusammenhang mit den
großenErrungenschaften der niederländischen
Schule. Wenn Aldenhoven4) mit allem
Rechte die Abhängigkeit der Kunst des
Meistersder St.-Georgs-Legende von derRogier
van der Weydens hervorhebt, so verleugnet

4) cf. C. Aldenhoven: »Geschichte der Kölner
Malerschule«, Lübeck 1902, p. 193.

unsere Miniatur in vielen und ausschlag-
gebenden Punkten diese künstlerische Her-
kunft keineswegs. Die Stärke in der Wieder-
gabe individuell-realistischer Züge darf man
ja als Gemeingut der großen niederländischen
Meister ansehen, dagegen gehört die außer-
ordentlich plastische Behandlung der Ge-
sichtspartien und die scharfe Prononzierung
der unteren Gesichtshälfte mit Mund und
Kinn und ganz besonders die reichliche
Verwendung von schwarzen Innenschatten
hierbei Rogier vornehmlich und allein. Von
diesem Können steckt viel in unserer Minia-
tur und zeigt unzweideutig, woher unserem
Künstler das Vermögen kam. Es ver-
schlägt dabei nichts, daß die Tafelbilder des
Meisters der Georgslegende recht weit von
der Höhe der Kunst eines Rogier abstehen.
Denn die Kräfte und das Erlernte, die wohl
zum Schaffen einer kleinen Miniatur —
dazu noch zu einem Porträte, reichen
konnten, vermochten wohl bei größeren,
selbständigen Kompositionen zu erlahmen.
Zu einem näheren Vergleiche unserer
Miniatur und derMalweise des Georgslegenden-
meisters bietet sich vor allem die Szene der
Taufe5) der Königsfamilie und ihres Ge-
folges dar. Und zwar innerhalb dieser
Szene der Priester, der der Handlung des
hl. Georg assistiert. Wir finden in der
Wiedergabe der Züge desselben die wesent-
lichen Momente wieder, die für die Behand-
lung der Miniatur ausschlaggebend waren.
So vor allem das lebhafte und plastische
Faltenspiel im Gesichte, auch hier durch
schwarze Innenschatten erreicht; die be-
sonders ausgearbeitete Unterpartie des Ge-
sichtes selbst; die scharfe Betonung des
Weißes der Augäpfel und ähnliche Farben-
werte, obwohl in letzterer Hinsicht einem
Vergleiche durch die Verwendung verschie-
dener Materialien Schranken gesetzt sind.
Beachtenswert erscheint mir auch das bei
beiden Darstellungen in gleicher Weise
zutage tretende Unvermögen, die Extremi-
täten nur einigermaßen richtig wieder-
zugeben, was bei der Fähigkeit der
sprechenden Wiedergabe der Gesichtszüge
hier wie dort auffällt. Die viel zu schmalen
Unterarme und die knochenlosen, überlangen
Finger, die ohne Gelenke an diesen ansitzen,

6) cf. Scheibler, Aldenhoven: a. a. O. Tafel 2,a.
 
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