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Zeitschrift für christliche Kunst — 26.1913

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Heft 7
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Witte, Fritz: Die vier Kreuzesenden und die Himmelsrichtungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.4358#0113

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195

1913. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr 7.

Die Altersbestimmung ist deswegen nicht
gerade einfach, weil die auf der Tafel ab-
gebildete Rückseite in ihrer Ornamentierung
durch naturalistisches, hier zweifellos auch
symbolisches Weinlaub, sowie durch die
Form der Majuskeln auf eine frühere Zeit
hinzuweisen scheint wie die mit Maßwerk
geschmückte Vorderseite, die zudem in ent-
wickelter Minuskelschrift den ■ Namen des
Verfertigers oder vielleicht
auch des Stifters angibt. Da-
neben spricht der Steinbesatz
und die Art seiner Verteilung
wiederum auch dagegen, das
Alter etwa weit in das XV.
Jahrh. hinein vorzuschieben.
Sicherere Anhaltspunkte wür-
de bildlicher

Schmuck
geben kön-
nen.Der süd-
deutschen
Goldschmie-
dekunst war
vor allem die
Maßwerk-
aufteilung
sehr geläu-
fig, wir fin-
den sie aber auch vereinzelt
in Flandern und in West-
falen. Man wird unter Be-
achtung aller Einzelheiten die
Entstehungszeit des Kreuzes
um die Wende des XIV. Jahrh.
festlegen können.

Die gewiß anziehende sym-
bolische Ausdeutung und auch
praktische Ausnutzung der-
selben in der Liturgie ist ziem-
lich in Vergessenheit geraten,

das Mittelalter ZOg sie, • WO Segenskreuz

immer möglich, heran. Man faßte die ganze
Kreuzform der Kirche als Bild des am
Kreuze hängenden Heilandes auf. Das
Haupt des Erlösers ist nach Osten gelegt,
„wo Licht und Hoffnung und Heil wohnt,
die Rechte nach Süden, zum Reiche der
Gnade, die Linke nach Norden gestreckt,
nach dem finstern Bereich der Sünde und
des Unglaubens, den Blick aber nach Westen
gerichtet, wohin das Gnadenlicht dringen

und wo dereinst auch der Abschluß alles
Seins am Weltgerichtstage stattfinden soll".5)
Das Mittelalter hatte eine ausgesprochene
Vorliebe für sogenannte „sprechende" Re-
liquiare und paßte dieselben durchweg dem
Inhalte an: Armgebeine legte man in Arm-
reliquiare, Köpfe in Büsten usf., und den
Kreuzpartikeln gab man vernünftigerweise
die Form des Kreuzes. Die Gewohnheit ist
leider fast ganz abhanden
gekommen, und die auf den
Altären zurzeit ausgestellten.
Reliquien sind zumeist in
einem der Monstranz nach-
gebildeten oder gar völlig
konformen Gefäße unter-
gebracht. Richtiger wäre
zweifellos,
nachdem
nun einmal
die mittel-
alterliche
Ostensorien-
form zur
Monstranz
gewordenist,
diese selbe

Gefäßbil-
dung nicht
ohne weiteres auch als Re-
liquiar zu benutzen. Vor
allem wäre die Rückkehr
zur Kreuzform speziell für
Kreuzpartikel sinnreicher und
ebenso praktisch, wie das
hier abgebildete Reliquiar er-
weist, das manchen Finger-
zeig für die Wege in sich
schließt, die hier zu begehen
sind.

Goldschmiedearbeiten in

rdcrscitc des

es auf Taf. v. den nordwestdeutschen Kir-

chen usf. mit vlämischem Charakter lassen
sich noch weitere anführen, ihr direkter oder
indirekter Einfluß auf die Stilbildung im
einzelnen bleibt noch nachzuweisen, steht
aber nicht nur für die Frühzeit, sondern
auch für das XIV. und beginnende XV.
Jahrh. außer Zweifel.

Köln. Witte.

°) Sauer, a. a. O. S. 29-'.
 
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