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Zeitschrift für christliche Kunst — 26.1913

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Heft 7
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Die Dorfkirche auf der Internationalen Baufach-Ausstellung in Leipzig
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https://doi.org/10.11588/diglit.4358#0123

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215

1913. _ ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr 7.

216

zurückhalten. Streng, voller Enttäuschung
und Verachtung zugleich blicken sie hinüber
zu seinem abtrünnigen und halsstarrigen
Volk, das Gottes Willen nur immer wider-
strebte. Das goldene Kalb, was zu seinen
Häupten die freibleibende Fläche füllt, gibt
dafür das Motiv ab.

Die nicht mit figürlichen Malereien ge-
schmückten Felder von Decke und Empore
zeigen gleich den oben geschilderten Bild-
feldern ultramarinblauen Grund als den-
jenigen Farbton, der in der Vielfältigkeit
der farbigen Harmonien den beharrenden
und verbindenden Grundton abgibt. Deko-
rative Malereien, die, an die Kunst alter
Epochen sich anlehnend, das Sternenmotiv
nach allen möglichen Richtungen hin ab-
wandeln, schmücken diese Felder. Aber was
auch bei ihnen, genau wie bei den figür-
lichen Malereien, so ergötzlich und erquickend
wirkt, das ist das Fehlen alles „Kunst-
gewerblichen" im schlechten Sinne des
Wortes. Sie sind von größter Simplizität
und zeugen dabei doch von feinem Sinn
für die Fläche und ihre Gliederung, der nun
einmal das Grundwesen aller dekorativen
Malerei ausmacht, ganz gleich, ob diese
Malerei einem griechischen Tempel oder
einem Dorfkirchlein gilt. Mit dem freien
Pinselschwung des Malers sind diese deko-
rativen Malereien hingesetzt, und dadurch
vor allem unterscheiden sie sich vorteilhaft
von dem armseligen Auspinseln gezeichneter
Konturen, das auch heute noch im Schwünge
ist. Was hat doch die fürchterliche 01-
schmiere, mit der unsere Malermeister seit
50 Jahren sich und ihre Schüler verdorben
haben, auch in unsern Dorfkirchen für Un-
heil angerichtet und sie in ihrer unpersön-
lichen, geleckten und schablonenhaften Aus-
malung auf gleiche Stufe mit der malerischen
Ausstattung des heimischen Tanzsaales ge-
stellt, deren Kosten man, je nach dem Ver-
brauch der Ölfarbe, dort wie hier, nach
, dem Quadratmeter bemaß.

Eines wehmütigen Gefühles kann sich
der Beschauer doch nicht erwehren, soweit
eben die technische Seite in Frage kommt.
Das alles, was hier sicher von einem
Künstler bewußt ausgeführt worden ist,
das war vor 50 Jahren in unsern Malern und
ihren Gesellen in lebendiger Zunfttradition
derartig wirksam, daß, wenn sie dergleichen

auch nicht gerade unbewußt, so doch
unterbewußt schufen. Ob es jemals
dahin wieder kommt?

Was außer diesen Malereien in der Kirche
zu sinnender Betrachtung einlädt, das sind
die das untere Drittel der Fenster aus-
machenden buntbemalten Scheiben in Blei-
verglasung, die wichtige Stationen im Leben
Christi darstellen, wie Geburt, Darstellung
im Tempel (siehe hier besonders die geigen-
den Englein in den vier Ecken), Gebets-
kampf in Gethsemane (die schlafenden Jünger
sind hier ebenso eigenartig wie wirkungsvoll
in die Fläche hineingesetzt) und die Kreu-
zigung. Daß nicht die ganzen Fenster bunte
Bemalung zeigen, sondern nur ein Teil, ent-
spricht einmal dem Wesen eines schlichten
Dorfkirchleins, zum andern wird damit
dem lichtheischenden Charakter der prote-
stantischen Kirche Rechnung getragen. Un-
seren Altvordern schien es recht, daß von
dem blendenden Licht der Straße draußen
nur ein bescheidenes Maß des Allernot-
wendigsten in den Raum der Andacht ein-
gelassen wurde. Aber wie sich die Archi-
tektur unserer Tage durch nichts wirksamer
von der früheren Zeit unterscheidet, als
durch die breiten Lichteingänge, durch die
sie den Tag einlädt, in dieMer.schenhausung
einzutreten, so darf sich auch der moderne
Kirchenbau dieser Forderung nicht ver-
schließen. Soweit es sich um unsere Dorf-
kirchen handelt, werden Busch und Baum
im Laufe der Jahre einer allzu grellen Be-
lichtung schon vorbeugen. Denn grünes
Laubwerk gehört als architekturumrahmen-
des Glied ebenso notwendig um eine Dorf-
kirche, wie der Rahmen um ein Bild.

Der Chor, der der Bedeutung der evan-
gelischen Kirche als Predigtkirche ent-
sprechend, lediglich den Zweck einer ge-
räumigen Altarnische mit darüber gesetzter
Kanzel erfüllt, ist ohne jeden malerischen
oder sonstigen Schmuck. Auch Altar und
Kanzel sind in einfachen aber ausdrucks-
vollen Formen gehalten und in der Farbe
auf ein ruhig wirkendes Braunrot abge-
stimmt.

Der vor dem Altar stehende Taufstein
ist in seinem Wechsel von glatter Fläche
und farbigen Mosaikeinlagen ein in modernen
Formen gehaltenes Gebilde von ebenso ein-
facher wie vornehmer Wirkung.
 
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