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Zeitschrift für christliche Kunst — 26.1913

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Heft 8
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Hanftmann, Bartel: Wiederaufbau der ehemaligen Abteikirche St. Peter ob Erfurt?
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https://doi.org/10.11588/diglit.4358#0132

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231

1913. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 8.

232

Denn die Herstellung ihrer ehemaligen Um-
bauung ist natürlich ausgeschlossen. Der
Situationsplan und die Rekonstruktion aus
der Vogelschau entheben mich weiterer Aus-
führungen.

Bleibt die Frage nach dem rein idealen
Gesamtgewinn fürs heutige Stadtbild; und
der muß entschieden verneint werden.

Die beigegebene Gesamtansicht zeigt den
Zustand, wie ihn sich die Vertreter der
Wiederherstellung nach deren Durchführung
vorstellen. Links von der Ertal-Ehrensäule
(Bildmitte) sieht man die Rekonstruktion.
Sie ist insofern über puristisch, als sie so-
gar die West türme der Abteikirche hoch-
geführt zeigt, die von Anfang an aus unbe-
kannten, aber jedenfalls triftigen Gründen
schon im Unterbau liegen geblieben waren.
Gewiß hat man einen der Gründe, die zur
nachträglichen Anordnung der Türme im
Osten statt im Westen führten, in der
Wirkung zu suchen, die so gegen die Stadt
hin eintrat. Die Stiftskirchen zu Marien
und zu Severi haben sich, abgesehen von
sonstigen Zwangsumständen, diesem Grunde
angeschlossen ( als auch sie späterhin ihre
Turmfront nach Osten, gegen die Stadt,
richteten. War damit die stadtbildmäßige
Wirkung der Peterstürme ausgiebig über-
holt, so wurde sie völlig ausgeschaltet, als
man sich im vorgeschrittenen Mittelalter
auf dem großen Plan unterhalb der drei
Kirchen städtisch einrichtete.

Die Situationsskizze zeigt die also ge-
schaffene Lage bis ins XIX. Jahrh. Die
Straßenblockung am unteren Rande und
links besteht im wesentlichen noch heute,
die weitschraffierten Blöcke sind 1813 in-
folge Niederbrandes spurlos verschwunden.
Ehedem gab sich die wirkungbestimmende
Schau auf die monumentale Dom- und
Severigruppe vom Gassenaustritte A aus;
vgl. den linken Teil der Bildansicht. Es
ist klar, daß der Petersberg mit den beiden
Türmen hinter der rechts gelegenen Platz-
bebauung verschwand oder nur wenig und
wie aus weiter Ferne herübersah. Nach Ab-
raum des Platzes wurde dieser nicht wieder
bebaut, weil ihn der Militärfiskus in Besitz
nahm. Zugleich bewaldeten sich allmählich
die Höhen des Petersberges, der ehedem
— die Befestigung hatte die Abwehr- und

Kanonenseite gegen die Stadt — seine kahlen
Wallmauern und Wälle zeigte. Die Be-
waldung ist heute höher als im Bild. Der
Wandel im Stadtbild ist ersichtlich: . die
Ansicht gegen Dom und Severi verschob
sich landläufig nach dem Standpunkt B hin;
es sei festgestellt: nicht zu ihrem Gunsten.
In der Vedutte von A aus war sie in einzig
dastehender Art auf sich selbst gestellt. Mit
dem Fall der rechtsseitigen Platzbebauung
ging die Gruppe aus ihrer Ruhe und wurde
die Kulissenseite eines landschaftlichen Pano-
rames. Das war sehr nach dem Geschmack
der Zeit, die dieses Rundbild der preußischen
Beschießung verdankte. Es ist nicht daran
zu denken, daß sich an der Platzausgestaltung
jemals etwas ändert, d. h. daß man ihn
rechts wieder bebaut. Es wird beim Justiz-
gebäude, das mit der Vorderseite einge-
strichelt ist, sein Bewenden haben.

Aber Leute feinen Gefühls klagen längst
über die breite Freilage der Dom- und
Severibaugruppe und über die Unruhe in der
Erscheinung nach rechts, die mit Gewalt
ablenkt und Unfertigkeit schafft. Jede Zu-
tat nach rechts hin wird die heutige Uner-
träglichkeit steigern, mit der man sich bloß
durch Gewöhnung und Sehkunst abfinden
kann. Ja, in dem Augenblicke, in dem man,
ähnlich wie ehedem, rechts der Ehrensäule
wieder den Blick gegen die Baugruppe auf
den Marienberg schließt, um einem alten
Stadtbild ohnegleichen zu seinem Recht zu
verhelfen, wäre vielleicht darüber zu reden,
ob die andere Platzseite einen Neuaufbau auf
ihrer Höhe haben soll. Aber ob das ein
Neuaufbau der Peterskirche in Abschrift
ihres ehemaligen Bestandes oder ein wirk-
licher Neubau neben ihren Resten sein
sollte, darüber wäre kaum zu debattieren.
Solange man der Peterskirche ihre Be-
deutung von Hirsau her und nach Bürgel,
Paulinzelle hin zugestehen muß, wird man
auch sagen müssen: Hände weg, laßt uns,
was wir haben!

Mit dem heutigen abgeklärten Stand-
punkt der Denkmalpflege ist der Abbruch
des Andreas,,turmes" nicht vereinbar, unter
keinen Umständen aber der Neuaufbau der
Peterskirche, den schon die nächste Gene-
ration schwer bedauern würde.

lirfurt. Prof. B. Hanftmann.
 
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