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Zeitschrift für christliche Kunst — 26.1913

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Heft 9/10
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Witte, Fritz: Von unserer Paramentik einst und jetzt
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https://doi.org/10.11588/diglit.4358#0149

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263

1913.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 9/10.

264

Aufgaben ganz gewachsen, ihre Materiale
verdienen durchweg die Anerkennung großer
Solidität und Echtheit; und was ebenso
wichtig, für ein Fortkommen der Formen-
entwicklung Ausgangspunkt ist, unser mo-
dernes Kunstgewerbe ist aus den Kinder-
schuhen heraus, es kennt sein Ziel und seine
Wege,' es hat Leistungen vorzuweisen, die
durchaus annehmbar sind, und selbst die be-
deutendsten künstlerischen Kräfte und Ta-
lente stellen sich bereitwilligst in seinen
Dienst, in der richtigen Erkenntnis, daß durch
die allerdings unscheinbare Kleinkunst für
breite Volksschichten der Weg zur künst-
lerischen Erziehung der Masse führt. Wann
werden beide Schaf-
fensfaktoren den
praktischen Bund
zur gegenseitigen
Hebung schließen ?
Ich glaube, an den
Künstlern liegt es
nicht, wenn die
Wartezeit zu lang
wird, die Weber, die
guten Willens sind,
halten auch recht
gern die Hand hin,
wenn — die Ab-
nehmer ihre Reser-
viertheit ablegen und
zum Kaufe moder-
ner kirchlicher Ge- Abb- 5 <ve'
webe sich bereit erklären würden. Schüch-
terne, vorsichtige Versuche scheinen in ihren
Erfolgen diese Hoffnung zu rechtfertigen.
Es kann hier unmöglich ein Arbeitsplan
aufgestellt werden, nach dem etwa die kom-
mende Zeit zu schaffen hätte; immerhin mag
es gut sein, auf solche Einzelheiten auf-
merksam zu machen, die man als Krank-
heiten der zeitgenössischen kirchlichen Webe-
kunst bezeichnen könnte. Das kirchliche
Gewand ist von Haus aus ein Festgewand,
auch wenn es an Werkeltagen den Priester
schmückt; dafür ist es eben ein Ding, das mit
dem Heiligsten des Heiligen, mit der Gottheit
selbst in Berührung kommt. Somit wird
jeder Pfarrer nächst seinem Kelche seinen
Paramenten seine ganze Liebe und Sorgfalt
zuwenden und diesen eine Verfassung zu
geben suchen, die dem materiellen Können
der Kirchenkasse entspricht. Es ist wahrlich

mehr als eine Redensart, wenn man den in
Frage kommenden Instanzen immer wieder
eine Gewissenserforschung empfiehlt, die
nämlich: „Würde ich in einem Kleide öffent-
lich auf der Straße erscheinen, das in einem
Zustande wäre wie meine Paramente?"
Dank und Ehre dem Priester, der für die
liturgischen Gewänder den letzten Groschen
opfert und auf eine möglichst schöne Ge-
staltung bedacht ist. Und doch ist auch hier
eine Grenze zu ziehen, deren Pfähle sich ver-
rücken nach der Art der Kirche und ihrer
Gesamtausstattung, nach der Zusammen-
setzungsart der Gläubigen, und vor allem
nach der Qualität des Festes. Die zahlreichen
Abstufungen, die sich
da ergeben, sollten
auch in den Steige-
rungen der Para-
mentenstoffe zur
Sprache kommen.
Ein einfach ge-
musterter Stoff von
bester Qualität ist
würdiger zum Got-
tesdienste wie der
prunkvollste Gold-
stoff, dessen Wir-
kung durch Minder-
wertigkeit des Mate-
riales zu einer Augen-
blickswirkung wird.
Abb- 5 al- Das ist in erster Linie

kirchlich, daß ausschließlich bestes Material
zur Verarbeitung gelangt. Ich glaube, wir
irren, wenn wir nach den alten Beständen
in Kirchen und Museen den Durchschnitt der
Paramentenstoffe im Mittelalter ermessen
wollen; was uns erhalten ist, das sind zumeist
golddurchwirkte Seiden oder Samte, also
Stoffe, denen durch die Stärke des an ihnen
verwerteten Materials eine längere Lebens-
dauer bedingt war. Alte, dem früheren und
späteren Mittelalter angehörende Damast-
stoffe oder einfarbige Seiden sind uns da-
gegen nur in verhältnismäßig geringer Zahl
überliefert, weil sie erstmals durch ihre
Struktur weniger widerstandsfähig sein muß-
ten, dann auch, weil sie als weniger wertvoll
weit stärker benutzt wurden und darum dem
Verfall früher anheimgefallen sind. Der
daraus herzuleitende Mangel an alten Vor-
bildern ist zweifelsohne auch schuld daran,
 
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