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Zeitschrift für christliche Kunst — 26.1913

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Heft 9/10
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Witte, Fritz: Von unserer Paramentik einst und jetzt
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https://doi.org/10.11588/diglit.4358#0159

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283

1913. — ZEITSCHRIFr FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 9/10.

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Schultern vorn und rückwärts niederfallen,
so bringen sie jedenfalls den unbestrittenen
Vorzug nicht nur ehrwürdigen Alters, son-
dern auch direkt liturgischer Bedeutung mit,
insofern, als sie von der Kirche als vor-
nehmstes und einziges Schmuck- und Aus-
zeichnungskennzeichen vom Adels- und Sena-
torengewande der Römer in die Liturgie
mit vollem Bewußtsein übernommen worden
sind. Wie wir zu unserem Kasel kreuz ge-
kommen sein sollen, wird uns überall in den
Büchern als völlig klar auf der Hand liegend
vorgeführt; in Wirklichkeit können in dieser
Frage noch immer recht wohl verschiedene
Anschauungen nebeneinander bestehen. Fak-

wie dem Bedürfnis reicherer Gestaltung des
Dekors Rechnung getragen werden kann,
einmal durch weitere Verzierung der Streifen
selbst, dann auch durch Hinzufügung eines
in der Mitte aufgesetzten Dekors. Auch die
Kasel des Aachener Domschatzes (Abb. 9)
läßt ihren kreuzförmigen Schmuck ähnliche
Dienste tun, wie die zwei Klaven des älteren
Meßgewandes, indem der niederhängende
Streifen allein die Stoffmasse zu tragen
scheint, er selbst wiederum gestützt und ge-
halten von dem ringförmigen Schmuck, der
auf die Schultern sich legt. Auch bei ihr
zeigt sich das feine Verständnis für die Auf-
gaben der Stickereien: sie sind auf den Stoff

Abb. 15. Flandrischer Chormantel. Um 1500. Sammlung Schnütgen, Köln.

toren verschiedenster Art: Einflüsse des
orientalischen Kostümes in der zweiten
Hälfte des I. Jahrtausends, Verleihung von
besonderen Abzeichen an verdiente Priester,
praktische Rücksichten, wie die Verdeckung
der Nähte im Gewände usw., alle diese Einzel-
heiten wirkten vermutlich mit an der end-
gültigen, zeitweilig fast einhelligen Über-
nahme des Kreuzesstabes als Kaselschmuck.
Vom rein künstlerischen Standpunkte aus
wird man nie verkennen dürfen, daß den
alten frühchristlichen Klaven die Leistung
einer direkt ästhetischen Funktion zuzu-
billigen ist, insofern sie gewissermaßen, auf-
ruhend auf den Schultern des Priesters, die
Last des Stoffes tragen. Die unter Abb. 7
wiedergegebene Kasel möge das Gesagte
illustrieren, zugleich gibt sie auch Winke,

gelegte Verzierungen, die durch den Mangel
einer seitlichen Einfassung einmal, sowie
durch die Trennung der Muster unter sich
ihre untergeordnete Rolle nach außen hin
kundtun.

Das XII. Jahrh. stellte reiche Prunk-
kasein gern so her, daß der ganze Stoff be-
stickt wurde mit aneinandergesetzten Bild-
folgen in reicher Figurenkomposition, die
durch mehr oder minder breite Rahmungen
untereinander verbunden waren. Auch die
Gotik kannte diesen Schmuck; wir erinnern
an die bekannten Paramente vom Goldenen
Vließ. Mag sein, daß in erster Linie nur den
Prunkgewändern diese Ausstattung zuge-
billigt worden ist, wir haben aber auch
Kasein von einfacherer Ausstattung, die nach
denselben oder ähnlichen Prinzipien ge-
 
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