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Zeitschrift für christliche Kunst — 26.1913

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Heft 9/10
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Witte, Fritz: Von unserer Paramentik einst und jetzt
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https://doi.org/10.11588/diglit.4358#0160

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285

1913.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 9/10.

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schmückt sind. Eine sehr gute vorbildliche
Kasel dieser Art, mit elegantem Rankenwerk
übersponnen, bewahrt das erzbischöfliche
Museum zu Utrecht, andere Exemplare zeigen
die Abb. io u. 14. Eine ganze Gruppe von
Paramenten mit vollkommen besticktem
Grundstoff liegt vor uns in den mit Lilien,
Glocken und Cherubinen in reicher Seiden-
und Goldstickerei ausgestatteten Kasein und
Chormänteln, die im XIV. und XV. Jahrh.
in England und später wahrscheinlich auch
in Vlamland bis um die Mitte des XVI.
Jahrh. hergestellt wurden. Die Vorzüge
dieses Schmuckprinzipes sind unbe-
strittene, und der Ausführung stehen
im Hinblick auf ornamentale ein-
fache Streumusterungen usw. keine
zu großen Schwierigkeiten und
Kosten im Wege. Den einen Vor-
teil würde diese Behandlung der
Kasel und auch der übrigen Ge-
wänder bieten: Der schematischen
Fabrikarbeit würde hierdurch eine
erwünschte Schwierigkeit in
den Weg gelegt. Schon die der Stab-
stickerei in der Zeichnung sich an-
lehnende Ausstattung des äußeren
Kaselrandes ist insofern von
einigem Wert, als sie dem Mittel-
schmuck das Harte und Unver-
mittelte benimmt und seine Formen
leicht ausklingen läßt (Abb. 8, 32, 33).
Die Barockzeit vor allem hat uns
Kasein überliefert, die von dem her-
gebrachten Prinzip der Ausstattung
mit einem Kreuze oder Vertikal-
stabe insofern vollkommen abwei-
chen, als sie entweder eine mehr zentrale
Anlage des Schmuckes bevorzugen, oder den
Grundstoff regelrecht als Malgrund benutzen
und auf ihm Bilder mit reichen Barock- oder
Rokokorahmungen anbringen, die ebenso gut
oder noch besser eine Wandfläche als ein
Meßgewand zu schmücken geeignet sind.
Schlimme Geschmacklosigkeiten laufen da
unmittelbar neben ungewöhnlich wirkungs-
vollen Arbeiten her. Dieser Kaselschmuck
stellt uns auch unmittelbar vor die hier an-
zuziehende Frage: Wie und Was ist zu
sticken? Es gibt nicht viele Schlagwörter
in der kirchlichen Kunst, die man so sehr
mit Mißtrauen ansehen muß, wie das:
„Nadelmalerei". Gar mancher Paramenten-

händler tut sich etwas darauf zugute, daß er
Nadelmalerei betreibt, und er ist eventuell
geneigt, dem gutwilligen Käufer die Lupe in
die Hand zu drücken, damit er die ganze
Subtilität dieser Nadelmalerei erkenne und
bewundere — und kaufe. Und mit dieser
der Malerei nachgemachten Durcharbeitung
der Stickereien geht Hand in Hand die Aus-
tiftelung einer ganz bestrickenden Perspek-
tive: Die Heiligen stehen auf den Plätzen
und Straßen, und jeder Pflasterstein ist fein
säuberlich wiedergegeben, im Hintergrunde
biegt die Straße um und ungemessene Ent-

Abb. 16. Moderne Dalmatika. Klosterneuburg.

fernungen - lassen sich noch ahnen. Daran
denken diese Leute nicht, daß der Gläubige
in der Kirche nicht in die Illusion versetzt
werden soll, der Rücken des zelebrierenden
Priesters sei das Innere eines Hauses oder
einer Kirche oder gar eine ausgedehnte Fluß-
landschaft. Kann denn zum Beispiel bei der
Kasel in Abb. n u. 12 noch der Gedanke an
den Körper des Trägers aufkommen ? Ist denn
Gewand = Ausstellungsgemälde? Hängen
wir die abgebildete Kasel ruhig an einen
Ehrenplatz in unseren Museen, kopieren
werden wir sie doch nicht; was die Behand-
lung des Kaselschmuckes angeht, lernen wir
von ihr, wie wir es nicht machen dürfen,
mögen wir die bravouröse Technik, die glän-
 
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