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Zeitschrift für christliche Kunst — 26.1913

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Heft 9/10
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Witte, Fritz: Von unserer Paramentik einst und jetzt
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https://doi.org/10.11588/diglit.4358#0169

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301

1913. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 9/10.

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unsere hervorragendsten Künstler sich der
Sache annehmen und mit dem nötigen Ver-
ständnis für die Bedürfnisse der Kirche sowie
für die Stichtechnik, ihre Ziele und Grenzen,
an ihre Aufgabe herantreten. (Abb. 16 u. 17.)
Nicht zuletzt die Dalmatika ist einer prunk-
haften Ausstattung fähig.

Es kann hier nicht unsere Aufgabe sein,
alle Einzelobjekte der kirchlichen Stickkunst
heranzuziehen;
hier gilt es, mehr
grundsätzliche
Lehren aus den
Aufgaben, aus
den Möglich-
keiten und aus
dem guten Alten
zu ziehen, und

zu zeigen daß
eine zeitgemäße Behandlung der kirchlichen
Stickkunst sehr wohl möglich ist. Wir
können aber nicht ganz an einem vorüber-
gehen: an der kirch-

Abb. 28. Altarbordüre. Ausführung R. Zengel, Köln.

1

schneeig weißen Linnen? Ich befinde mich
in vorzüglicher Gesellschaft und darum auch
guter Deckung, wenn ich derartigen saft- und
kraftlosen Machwerken das Recht abspreche,
in eine Sakristei einzudringen, und dann noch
in die nächste Nähe des Allerheiligsten. Fort
mit dem süßlichen Kram, der den Gipfel von
künstlerischer Inferiorität bedeutet. Ganz
abgesehen von der minderwertigen Hand-
werkszeichnung,
die mit Kunst
rein gar nichts
zu tun hat, ist
die Art der Stik-
kerei zu verwer-
fen. Es ist wie-
der der alte Feh-
ler, in den man
verfällt, indem
man auf dem Leinen mit haardünnen meist
braunen Seidenfäden eine Federzeichnung
oder einen Kupferstich nachahmt.Y,: Und
tatsächlich finden wir

liehen Leinensticke-
rei. Hier wird ganz
erschreckend gesün-
digt, und hier ist es
gerade ein in seiner
Größe fast unschein-
barer Gegenstand,
der zum Tummelplatz
aller Geschmacklosig-
keiten geworden ist.
Mit Schrecken wird
derjenige, der sich
auch nur einen Fun-
ken von Geschmack
bewahrt hat, selbst
in neueren Muster-
büchern Vorschläge,
sagen wir ehrlich
„Vorlagen" für das
Besticken unserer Kelchpalla

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Abb. .29. Korporale und Palla. Buntstickerei auf Leinen
Ausführung R. Zengel, Köln.

finden, die
auf keinem viel höheren Niveau stehen wie
unsere geschmacklosen Heiligenbilder franzö-
sischer Massenproduktion. Welcher Priester
hat nicht wohl schon jene Palla mit dem Jesus-
kind, auf Ähren gebettet (!), oder jene mit dem
abgenutzten fadenBilde,einem kreuztragenden
Heilande in einem Passionsblumenrahmen
vorgelegt bekommen ? Wo fehlt schließlich
auch die Palla mit dem rotgestickten flam-
menden Herzen, ein großer roter Flecken im

bekanntere Kupfer
des Christuskopfes
von Guido Reni usw.
in sklavischer Ge-
nauigkeit mit der
Nadel kopiert, so
zwar, daß selbst die
spitzen Ausläufer in
den Schattierungs-
strichen der Radier-
nadel genau wieder-
gegeben sind. Bei
ihrem eigenen Haus-
leinen wissen die
Stickdamen sich sehr
wohl zu hüten vor
derartigen Entglei-
sungen, bei der Para-
mentik vergessen sie
der elementarsten Grundsätze. Wie die alte
Kunst der Leinenstruktur Rechnung trug,
mag die Abb. 5 a erweisen. Ist es nicht auch
würdiger, der Palla den Leinencharakter ab-
solut zu wahren und ausschließlich Stick-
techniken — wie Durchbruch, Feston- und
Plattstich usw. — zu verwerten, die material-
echt sind? Und auch die Farbe ist bei der
Palla recht wohl zu entbehren.

Ganz ähnlich verhält es sich mit Korpo-
rale und Purifikatorium. Wer nicht vernünf-


 
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