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Zeitschrift für christliche Kunst — 26.1913

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Éber, László: Über einige Schutzmantelbilder in Ungarn
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https://doi.org/10.11588/diglit.4358#0195

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Abhandlungen.

Über einige Schutzmantelbilder in
Ungarn.

(Mit 3 Abbildungen.)

] ie bedeutsame Darstellung der
Maria mit dem Schutzmantel
hat die ikonographische For-
schung der letzten Jahre mehr-
fach beschäftigt. Es ist eine
förmliche kleine Literatur über diese Bilder
entstanden und es gelang auch, die litera-
rischen Quellen und die Entwicklung dieser
Darstellung, sowie Ursprung und Bedeutung
ihrer verschiedenen Varianten nachzuweisen').
Schutzmantelbilder kommen auch unter
den sehr zahlreich erhaltenen mittelalter-
lichen Wandgemälden in Ungarn verhält-
nismäßig häufig vor2). Neben den allgemein
verbreiteten und wohlbekannten Typen be-
finden sich darunter auch Darstellungen, die
eine eigentümliche Auffassung der Themas
verraten und darum einiges Interesse für
die ikonographische Forschung beanspruchen
dürften.

Unter den ungarischen Schutzmantel-
bildern ist ein um die Mitte des XIV. Jahrh.
entstandenes Wandgemälde in der kleinen
Dorfkirche zu Mohos (Komitat Nyitra in
Oberungarn) wohl auch in künstlerischer
Hinsicht am bedeutendsten, eine reiche, be-
sonders feierliche Darstellung des Gegen-
standes. Maria nimmt in imposanter Größe
die Mitte der Bildfläche ein. Hinter ihrem
gekrönten Kopfe halten zwei über stark
stilisierten Wolken schwebende kleine Engel-
figuren den roten Glorienschein. Maria
öffnet ihren großen, roten Mantel, der vorn
mit einer viereckigen Agraffe befestigt ist,
mit einer eigenartigen, feierlichen Gebärde.
Sie schlägt ihn nicht, wie auf anderen Dar-
stellungen, zurück, sondern hebt ihn mit

l) Krebs, -„Maria mit dem Schutzmanlei am
Freibuiger Münster", »Freibu-ger Münsterbliitter«
I (I90.r>), S. 27; Silvy, „L'origine de la Vieige de
Misericorde", »Gazelte des Beaux-Arls« XXXIV
(I90f>). S. 401; Perdrizet, „La Vierge de Miseri-
corde, Etüde d'un tbeme iconographique" (»Biblioihecme
des Eco'es francaisfs d'Athenes et de Ronie«, Bd. IUI),
Paris 1908; Male, »L'art religieux de la fin du
moyen äge en France<, Paris 1908, S. 206.

-) Beschreibung und Abbildungen derselben im
»Archaeologiai Ertesitö« (1912), S. 303 (ungarisch).

ausgestreckten Armen in die Höhe. Hier-
durch ist dem Künstler einerseits Gelegen-
heit zur reicheren Entfaltung des Falten-
wurfs — die Falten zeigen tatsächlich reiche,
gleichsam ornamentale Linien — anderer-
seits genügender Raum zur Anordnung der
knienden Gruppen geboten worden.

In ikonographischer Beziehung vertritt
das Bild zu Mohos eine interessante Ent-
wicklungsphase, gleichsam einen Übergang
zu der vollständigen Darstellung der Mater
omnium. In symmetrisch angeordneten
horizontalen Reihen knien links die Männer,
rechts die Frauen. Nach den Ausführungen
Perdrizets darf man in der Scheidung nach
Geschlechtern ein Hauptmerkmal der älteren
Darstellungen erblicken. Die Gruppe der
Männer ist sehr schlecht erhalten, doch ist
noch zu erkennen, daß in den oberen Reihen
die Geistlichen, unten die Weltlichen dar-
gestellt sind. Die Feierlichkeit der Szene
wird noch durch deren beide Zeugen ge-
steigert: rechts erblickt man die Kaiserin
Helena mit dem Kreuz, links die hl. Barbara
mit ihrem gewohnten Attribut, dem Turm.
Besonders interessant ist es aber, daß
das Schutzmantelbild zu Mohos den nörd-
lichen Teil des Triumphbogens der Kirche
einnimmt, während gegenüber, auf der an-
deren Seite das Bild des die Seelen wägenden
Erzengels Michael (Psychos tasis) ange-
bracht ist, — die schönste und ausführlichste
r'er in Ungarn in großer Zahl erhaltenen
ähnlichen Darstellungen. Die Gegenüber-
stellung dieser beiden Bilder ist gewiß nicht
zufällig. Die Seelenwage ist die abbreviierte
Andeutung des jüngsten Gerichtes, das
Schutzmantelbild die der himmlischen Selig-
keit. Die Anspielung auf das Jüngste Ge-
richt ist unzweifelhaft, besonders da ander
Laibung des Triumphbogens auch die so oft
auf das Jüngste Gericht bezogenen Bilder
der klugen und törichten Jungfrauen er-
scheinen.

Der ideelle Zusammenhang mit dem
Jüngsten Gericht, der in Mohos durch die
Gegenüberstellung der Seelenwage und der
Mater Misericordiae ausgedrückt wird,
kommt in einem anderen Falle im Rahmen
einer einzigen Darstellung zur Geltung.
 
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