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1913.
ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. \2.
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des Baumes zwischen den Reitern, die rein
klassischen Motive, wie Amazonen usf. und
vor allem die Motiviertheit der Bewegungen
von Roß und Reiter, sowie die niemals feh-
lende, hinter dem Reiter her flatternde
Chlamys. Kurz würde das Resultat zu-
sammenzufassen sein in den Satz: Der Ur-
sprung des mittelalterlichen Seidenstiles
liegt in der spätantiken Kunst von Alex-
andria, und nicht weiter ostwärts.
Unter dem Einfluß der Alexandriner
arbeiten auch die koptischen Seidenweber
und vor allem die in Byzanz und Syrien.
Hier werden kleine Musterungen, wie wir
sie in der griechischen Vasenmalerei der
vorchristlichen Zeit, finden, zunächst bevor-
zugt. Später treten von Alexandria her
neue Motive, darunter auch das der Reiter
hinzu; sie sind aber durchweg in größerem
Formate gegeben, als in Alexandria. Be-
sonders bemerkbar macht sich der Einfluß
Ägyptens auf Ostrom im Quadrigastoff zu
Aachen. Auch persischer Einfluß macht sich
in Byzanz um die Wende des VI. Jahrh.
bemerkbar. Der berühmte Reiterstoff in
Kunibert und ein Gegenstück in Mailand
werden als Beispiele herangezogen für die
Verarbeitung sassanidischer Motive in Ostrom
bzw. Syrien. An dieser Stelle haben v. Falkes
Deduktionen mich nicht völlig überzeugen
können. In dem Muster stehen sich sas-
sanidische und nachklassische Motive gegen-
über: Der Reiter trägt die griechische
Chlamys und die persische Mütze, in der
Mitte steht der Baum, der den persischen
Stoffen charakteristisch ist wie die Viel-
farbigkeit, während Byzanz die hellrote
Farbe auf blaupurpumem Grund bevorzugt.
Die Herzornamente in den Kreisrahmen sind
ungewöhnlich genau auf alexandrinische Vor-
bilder gestimmt usf. Man könnte so gut wie
einen Einfluß Persiens auf Ostrom, auch
einen römischen auf Persien annehmen; am
meisten scheint noch die klassische Haltung
des Pferdes für römischen Ursprung zu
sprechen, wenn das Tier auch in etwas
flottem Galopp einherrennt; aber könnte
nicht Alexandria in Frage kommen? Eine
überaus sorgfältige Untersuchung stellt
v. Falke weiterhin mit den Seidenstoffen des
Orientes an, umschreibt genauest, unter
Heranziehung eines breiten Denkmäler-
bestandes in verschiedenen Materialien, die
sassanidische Webekunst, mit ihren in ge-
reihte Scheiben gesetzten Pfauen, Enten,
Hippökampen und Hähnen (Hahnenstoff im
Vatikan), mit den Kreisumrahmungen, die
durch helle kreisrunde Punkte belebt sind, und
erweist, daß selbst die Ostasiaten gewisser-
maßen als Tauschobjekt gegen das jahr-
hundertelanggelieferte Rohmaterial persische
Musterungen ziemlich genau herübernahmen
(VII. bis VIII. Jahrh.). Die Erkennungs-
zeichen liegen hier zumeist ziemlich offen
zu Tage. Mit dem 6. Kapitel beginnt der
Verfasser mit der ,,Seidenweberei des hohen
Mittelalters", deren Besprechung einem wei-
teren Referat vorbehalten sei, um ihr den
der Bedeutung der Sache entsprechenden
Raum geben zu können. Immerhin ist es
hier bereits am Platze, dem großzügigen
und überaus gründlichen Werke v. Falkes
die Anerkennung und das Lob auszusprechen,
das sich beim Studium der beiden statt-
lichen Bände auf die Lippen drängt. Dank
der sorgfältig für weite Interessentenkreise
getanen Arbeit, die uns aus vielfacher Un-
sicherheit heraushebt und einen ebenso be-
redten wie zuverlässigen Führer abgibt auf
einem Gebiete, das leider noch immer die
Domäne nur weniger Kunsthistoriker zu
sein scheint, ob auch alle der Bedeutung
sich wohl bewußt sind, welche die stilistische
Entwicklung gerade der Seidenweberei für
die gesamte Kunstgeschichte hat, da sie ja
der am leichtesten und darum auch am
weitesten reisende Pionier für neue Kunst-
formen immer gewesen ist, ganz ähnlich wie
in Japan der als Andenken mitgenommene
Farbenholzschnitt. Die Ausstattung der
Bände ist sehr gut, die Auswahl und Fülle
der Bilder so, daß man auch ohne das
Tafelwerk Lessings dem Texte folgen kann.
Auch darauf sei hier nachdrücklich hin-
gewiesen, daß v. Falkes Arbeit ein ganz un-
geahntes Studienmaterial für das moderne
Kunstgewerbe beibringt, eine Fülle von
mustergültigen Beispielen vollendeterFlächen-
kunst. Die Anschaffung der beiden Bände sei
deshalb den Kunstgewerbeschulen und dem
praktischen Weber nachdrücklich empfohlen.
Köln. Witte.
1913.
ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. \2.
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des Baumes zwischen den Reitern, die rein
klassischen Motive, wie Amazonen usf. und
vor allem die Motiviertheit der Bewegungen
von Roß und Reiter, sowie die niemals feh-
lende, hinter dem Reiter her flatternde
Chlamys. Kurz würde das Resultat zu-
sammenzufassen sein in den Satz: Der Ur-
sprung des mittelalterlichen Seidenstiles
liegt in der spätantiken Kunst von Alex-
andria, und nicht weiter ostwärts.
Unter dem Einfluß der Alexandriner
arbeiten auch die koptischen Seidenweber
und vor allem die in Byzanz und Syrien.
Hier werden kleine Musterungen, wie wir
sie in der griechischen Vasenmalerei der
vorchristlichen Zeit, finden, zunächst bevor-
zugt. Später treten von Alexandria her
neue Motive, darunter auch das der Reiter
hinzu; sie sind aber durchweg in größerem
Formate gegeben, als in Alexandria. Be-
sonders bemerkbar macht sich der Einfluß
Ägyptens auf Ostrom im Quadrigastoff zu
Aachen. Auch persischer Einfluß macht sich
in Byzanz um die Wende des VI. Jahrh.
bemerkbar. Der berühmte Reiterstoff in
Kunibert und ein Gegenstück in Mailand
werden als Beispiele herangezogen für die
Verarbeitung sassanidischer Motive in Ostrom
bzw. Syrien. An dieser Stelle haben v. Falkes
Deduktionen mich nicht völlig überzeugen
können. In dem Muster stehen sich sas-
sanidische und nachklassische Motive gegen-
über: Der Reiter trägt die griechische
Chlamys und die persische Mütze, in der
Mitte steht der Baum, der den persischen
Stoffen charakteristisch ist wie die Viel-
farbigkeit, während Byzanz die hellrote
Farbe auf blaupurpumem Grund bevorzugt.
Die Herzornamente in den Kreisrahmen sind
ungewöhnlich genau auf alexandrinische Vor-
bilder gestimmt usf. Man könnte so gut wie
einen Einfluß Persiens auf Ostrom, auch
einen römischen auf Persien annehmen; am
meisten scheint noch die klassische Haltung
des Pferdes für römischen Ursprung zu
sprechen, wenn das Tier auch in etwas
flottem Galopp einherrennt; aber könnte
nicht Alexandria in Frage kommen? Eine
überaus sorgfältige Untersuchung stellt
v. Falke weiterhin mit den Seidenstoffen des
Orientes an, umschreibt genauest, unter
Heranziehung eines breiten Denkmäler-
bestandes in verschiedenen Materialien, die
sassanidische Webekunst, mit ihren in ge-
reihte Scheiben gesetzten Pfauen, Enten,
Hippökampen und Hähnen (Hahnenstoff im
Vatikan), mit den Kreisumrahmungen, die
durch helle kreisrunde Punkte belebt sind, und
erweist, daß selbst die Ostasiaten gewisser-
maßen als Tauschobjekt gegen das jahr-
hundertelanggelieferte Rohmaterial persische
Musterungen ziemlich genau herübernahmen
(VII. bis VIII. Jahrh.). Die Erkennungs-
zeichen liegen hier zumeist ziemlich offen
zu Tage. Mit dem 6. Kapitel beginnt der
Verfasser mit der ,,Seidenweberei des hohen
Mittelalters", deren Besprechung einem wei-
teren Referat vorbehalten sei, um ihr den
der Bedeutung der Sache entsprechenden
Raum geben zu können. Immerhin ist es
hier bereits am Platze, dem großzügigen
und überaus gründlichen Werke v. Falkes
die Anerkennung und das Lob auszusprechen,
das sich beim Studium der beiden statt-
lichen Bände auf die Lippen drängt. Dank
der sorgfältig für weite Interessentenkreise
getanen Arbeit, die uns aus vielfacher Un-
sicherheit heraushebt und einen ebenso be-
redten wie zuverlässigen Führer abgibt auf
einem Gebiete, das leider noch immer die
Domäne nur weniger Kunsthistoriker zu
sein scheint, ob auch alle der Bedeutung
sich wohl bewußt sind, welche die stilistische
Entwicklung gerade der Seidenweberei für
die gesamte Kunstgeschichte hat, da sie ja
der am leichtesten und darum auch am
weitesten reisende Pionier für neue Kunst-
formen immer gewesen ist, ganz ähnlich wie
in Japan der als Andenken mitgenommene
Farbenholzschnitt. Die Ausstattung der
Bände ist sehr gut, die Auswahl und Fülle
der Bilder so, daß man auch ohne das
Tafelwerk Lessings dem Texte folgen kann.
Auch darauf sei hier nachdrücklich hin-
gewiesen, daß v. Falkes Arbeit ein ganz un-
geahntes Studienmaterial für das moderne
Kunstgewerbe beibringt, eine Fülle von
mustergültigen Beispielen vollendeterFlächen-
kunst. Die Anschaffung der beiden Bände sei
deshalb den Kunstgewerbeschulen und dem
praktischen Weber nachdrücklich empfohlen.
Köln. Witte.