Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 34.1921

DOI Heft:
Heft 6-7
DOI Artikel:
Heimann, Friedrich Carl: Verschwundene Ehrungen für Bischof Wicbold von Kulm im Altenberger Dom, [2]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4344#0106

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
94

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST.

Nr. 6/7

Würfel mit sechs, fünf und vier Augen, also ein redendes Wappen (Dobbeln -
Würfeln). Die Inschrift ist beiderseits eingefaßt von fortlaufendem Ranken-
werk, wodurch der Fries eine Breite von 15 cm erreicht. Er bildet den
Rahmen zu der eigentlichen Bildfläche der Platte, aus deren Mitte der
mächtige, die Gestalt des Kirchenfürsten einschließende Thronbaldachin
hervortritt.

In Aufbau, Durchbildung und Figurenschmuck ist er gleicherweise be-
achtenswert. Während bei verwandten Metallarbeiten dieser Art die archi-
tektonischen Beigaben in einfacher Ubereinanderstellung von Nischen geo-
metrisch gehalten sind, zeigt sich hier die Architektur als eine bewegte,
unter Anwendung der Perspektive. Es ist eine Aufeinanderfolge von drei-
seitig vorspringenden Sockeln und entsprechenden, die Gestalten der Apostel

überdeckenden Baldachinen. Erstere sind wech-
selnd mit hellem und dunklem Maßwerk sowie
kleinen abschließenden Galerien ausgestattet, letz-
tere haben dunkle Wölbung und werden von drei
schlanken, in der Höhe verschiedenen Wimpergen
überragt. Sehr geschickt löst sich die Überleitung
aus einer zweiachsigen architektonischen Anord-
nung zur einachsigen der beiden Aufbauten, die
sich bis in die Mitte des oberen Randes fort-
setzen, dort eine zierliche Endigung finden und
die Wölbung des Thronbaldachins mit der Drei-
zahl ihrer Bekrönung flankieren.

Die Architektur erhält besonders wirkungs-
volle Ergänzung durch die Standfiguren der Zwölf-
boten des Herrn und Propheten, die in kleinen
Tabernakeln Platz haben, jene mit ihren Attri-
buten, diese mit Spruchbändern. Die Apostel-
gestalten künden hohe Meisterschaft in der maß-
vollen Bewegung, dem Faltenwurf der Gewänder,
vor allem in der Durchbildung der Köpfe mit
wallendem Haupthaar und Bart, denen der jüdische Gesichtsausdruck völlig
aufgeprägt ist (Abb. 4). Die Propheten sind in den Seitenansichten weniger
gelungen, auch kleineren Maßstabes in den drei mittleren Aufbauten des
Thrones. Hier treten Engelsgestalten hinzu, Lichter tragende neben den
Verkündern des Messias, Weihrauchfässer schwingende zu seiten des Hei-
landes, der die Seele des entschlafenen Bischofs in Gestalt eines kleinen
Kindes auf dem Schöße hält.

Inmitten dieses reich ausgestatteten Tabernakelwerks ruht die lebensgroße
Gestalt Wicbolds, als eines Toten, in Pontifikalkleidung hingestreckt auf
einem Teppich; ein Löwenpaar kauert neben seinen Füßen, zwischen diesen
erscheint das schräg gestellte Dobilsteinsche Wappen. Den Sockel des Thron-
baldachins ziert ein Fries mit der Darstellung halbwilder Menschen in ihrer
Häuslichkeit, in Jagd und Kampf mit den Tieren des Waldes, vielleicht
zur Erinnerung an die Zeit unfreiwilligen Aufenthaltes des Bischofs nach
seiner Gefangennahme in den Wäldern Preußens. Die Musterung des Teppichs

Abb. 3.
 
Annotationen