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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 1.1907/​8

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Haupt, Albrecht: Die äussere Gestalt des Grabmals Theoderichs zu Ravenna und die germanische Kunst, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.19218#0032

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20 Albrecht Haupt - Hannover.

Ihre reichen spitzenartigen Durchbrechungen, ihre feine Zeichnung charakterisieren sie
ohne weiteres als solche Nachbildungen oder Anlehnungen. Die Emporen in S. Vitale
sind hinter oder vor den Säulen, die auf dem Gesimse stehen, unzweifelhaft ebenfalls
mit (verschwundenen) Bronzegittern geschützt gewesen, da von Steinbrüstungen nicht
die Spur mehr vorhanden ist, während die steinernen Altarschranken unten doch noch
stehen. An letzterer Stelle waren aber Bronzeschranken durchaus unpassend, vielmehr

sind da in ganz Italien von S.
demente in Rom an Marmor-
gitter ausschließlich üblich ge-
wesen.

Der Stil der Marmorschran-
ken in S. Vitale ist allerdings
rein byzantinisch und hat wenig
mit der Stilisierung der Bauwerke
des Theoderich zu tun, die sich
mehr an die der vorhergehen-
den römischen Zeit anlehnt;
zwischen diesen und den letzten
Bauwerken aus der Zeit der Galla
Pläcidia ist formal zunächst noch
wenig Unterschied.

Aber die Gesamterscheinung
der Schranken ist doch außer-
ordentlich charakteristisch und
prägt sich stark ein. Wir haben
uns die verlorenen Bronzegitter
unbedingt in Wirkung und
Charakter ähnlich zu denken.

In Ravenna gibt es freilich nur
noch dürftige Spuren einst vor-
handener sehr zahlreicher Werke
dieser Art, von denen, wie ge-
sagt, S. Vitale schon eine Reihe
hervorragender gehabt haben
Abbildung 8. Inneres des Aachener Münsters mit den Bronzegittern. muß. Ein paar Trümmer von

bescheidenen Krypta - Fenster -
gittern in S. Apollinare sind vielleicht alles, was noch von solchen Bronzen da ist —
doch genug, um den bis zu Kellerfenstern gehenden einstigen starken Gebrauch solcher
Gitter zu erweisen.

Es ist mir nur ein einziges Beispiel derartiger Bronze-Brüstungsgitter aus so ferner
Zeit bekannt, das uns ein übrigens höchst vollständiges Bild der verschwundenen
Brüstung zu geben vermag: die acht Gitter im Münster Karls des Großen in Aachen,
die dort gegossen sein sollen. Ihre Stilisierung ist noch so sehr spätrömisch, auch in
der Wirkung jenen ravennatischen marmornen so ähnlich, daß wir uns die am Theo-
derich-Denkmal gerade so denken dürfen.
 
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