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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 1.1907/​8

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Haupt, Albrecht: Die äussere Gestalt des Grabmals Theoderichs zu Ravenna und die germanische Kunst, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.19218#0034

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22

Aber nicht nur diese, auch die Türen und Schranken werden aus Ravenna
stammen. Denn da holte er alles, was ihm irgend paßte. Sein Münster wurde erbaut
796—804, aber schon zwischen 781 und 791 ließ er sich durch Papst Hadrian I. die
Kunstschätze des Theoderichs-Palastes in llavenna, speziell die Marmor-Inkrustationen
und die Mosaiken an Wänden und Fußböden für seine Aachener Bauwerke schenken.
Der Brief ist noch vorhanden.1 Das hielt ihn übrigens nicht ab, die als Mosaiken doch
schwer transportierbaren Fußböden des Palastes meist ruhig im Boden liegen zu lassen,
wo sie heute noch liegen, dafür aber alles andere ihm Passende mitzunehmen. So noch
801 das riesige Bronzedenkmal des Theoderich zu Pferde, das in Ravenna vor dem
Palast stand und dann seine Stelle in Aachen vor dem Münster fand.2

Und obige Stelle des Einhart läßt sich ohne Zwang auch auf andere Kunst-
sachen übertragen. Traditionell gelten die Gitter heute noch in Aachen als aus Italien
stammend, und wenn Jakob Falke auch meint, Karl der Große habe beim Münster in
Aachen eine Bronzegießerei eingerichtet, und die Gitter und Türen seien sicherlich da
gegossen, so gibt er uns und hat er wohl auch dafür keinerlei Beweis. Vielmehr hat
man sonst nur aus der Notiz des Einhart den Gedanken geschöpft, Karl habe in Aachen
vielleicht Bronzesachen gießen lassen.

Aber hier: 4,25 m lange Gitter, 2,95 m große Türen in einem Stücke!

An sich schon wäre dies schwer glaublich. Zusammen aber mit jenen Maß-
übereinstimmungen erledigt es sich sehr einfach: die Gitter sind vom Grabmal des
Theoderich entnommen, und die nachher gebaute Aachener Kirche ist nach ihnen ein-
gerichtet, so daß sie da Platz fanden. Und zwar ganz genau in der Anordnung, wie solche
in S. Vitale in Ravenna vorhanden gewesen sein muß, und wo Karl sie bei seinem
oftmaligen Aufenthalte sah; da mußte er denn durch die wie auf dem Präsentierteller
stehenden Gitter um das Ketzergrab geradezu veranlaßt werden, sie zu ganz gleichem
Gebrauch nach Aachen mitzunehmen. War S. Vitale doch seinem Aachener Münster
gar ähnlich disponiert!

Die Aachener Bronzetüren — allerdings auch gleich vier an der Zahl — stimmen
an Größe mit den zwei des Theoderich-Grabes dagegen in keiner Richtung überein, sind
also wo anders her entnommen; vermutlich denn vom Theoderichs-Palaste, wo es der-
gleichen unbedingt genug gab. Ihr Stil scheint dies wieder zu bestätigen.

Außerdem war das Innere des Grabmals damals zu kirchlichen Zwecken ge-
braucht; da verbot es sich dem frommen Karl wohl von selber, den Geistlichen die
Türen ihrer Kapelle auszuheben.

Eine nähere Untersuchung der Aachener Gitter ergibt nun noch zur Evidenz,
daß sie nicht für diesen Standort bestimmt waren, jedenfalls in anderer Weise verwendet
und befestigt werden sollten. Professor Buchkremer hat 1891 ein sehr ausführliches
und gediegenes Gutachten über die Gitter und ihren Zustand wie ihre Aufstellung
gegeben und darin nachfolgende Eigentümlichkeiten festgestellt, die er freilich nur
mühsam zu erklären weiß, da er nicht auf den Gedanken kam, die Gitter könnten von
anders woher entnommen sein.

So weist er nach, daß sie alle ursprünglich unter ihrem Fußgliede noch ange-
gossene, etwa 20—23 cm hohe Lappen besaßen, die er merkwürdigerweise als «Sockel-

1 Jaffe, Mon. Carol. Ep. 89. — Dahn, Urgeschichte der germ. Völker, III, S. 1015.

2 Stephani, Der älteste deutsche Wohnbau, II, S. 169. 173.
 
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