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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 1.1907/​8

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Bühlmann, Josef: Der Palast der Flavier auf dem Palatin in Rom
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https://doi.org/10.11588/diglit.19218#0139

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Der Palast der Flavier auf dem Palatin in Rom. 127

3,10 in starken Seiteumauern nicht ein völlig genügendes Widerlager hatte und zur
Sicherung seiner Stabilität weiterer Stützen bedurfte.

In der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts ist man in der römischen Bau-
technik: zur ausgedehnten Anwendung der Gußmasse, die durch die beigemengte Puzzolan-
erde eine betonartige Beschaffenheit erhielt, gelangt. Namentlich machte durch dieselbe
die Wölbetechnik einen gewaltigen Fortschritt, indem nun die Wölbungen als zusammen-
hängende Schalen bedeutend mehr Festigkeit gewannen und weniger Widerlager be-
durften als bei der früheren Herstellung aus keilförmig zusammengefügten Baustücken.
In der neuen Art der Ausführung wurden über der Ausrüstung nur einzelne Haupt-
bögen oder Lehrbögen in Backstein aufgesetzt, die Zwischenräume jedoch mit gestampfter
Gußmasse ausgefüllt und ebenso die Hintermauerung bis ungefähr zur halben Gewölbe-
höhe hergestellt. Bis auf die Höhe der Hintermauerung war nun die untere Gewölbe-
partie wie eine Mauer mit Überkragung zu betrachten und erst von dieser an der
Seitenschub als wirksam anzunehmen.1 An kleineren Ausführungen wird man wahr-
genommen haben, daß solche Gußgewölbe verhältnismäßig dünn hergestellt werden
konnten und auch nicht sehr starker Widerlager bedurften, da sie als zusammenhängende
Schale, solange in derselben keine Bisse entstanden, nur vertikalen Druck ausübten.
Den Seitenschub konnte man für eine größere Ausführung nicht berechnen, sondern
war bei einer solchen nur auf die Erfahrung angewiesen. So mag der Architekt unseres
Bauwerkes anfänglich geglaubt haben, die an sich sehr starken Seitenmauern des großen
Saales würden zur Aufnahme des Gewölbedruckes genügend sein, und er hat vielleicht
erst nach dessen Herstellung beim Versuche, die Ausrüstung zu entfernen, die furcht-
bare Wahrnehmung gemacht, daß dieselbe nach dem Herausschlagen einzelner Keile
nicht locker werden wollte. Nun galt es, für die Seitenmauern Widerlager herzustellen,
was am besten durch schwere Uberwölbung der beiden Seitensäle geschehen konnte.
In die Basilika wurden die Eckpfeiler hineingebaut und über denselben das Kreuz-
gewölbe ausgeführt. Auch im Saale links wurden die seitlichen Pfeiler scheinbar erst
nachträglich hineingesetzt, um über denselben eine starke Tonne wölben zu können.
Die Erhaltung des Tonnengewölbes scheint in der Folgezeit der jeweiligen Bauintendanz
des Palastes noch schwere Sorgen bereitet zu haben. Zuletzt ist dieselbe noch dazu
gelangt, auch die äußere Seitenhalle rechts als Widerlagermasse auszubauen und zu
diesem Zwecke hinter jede Säule einen starken Pfeiler zu setzen, in deren jedem ein
Durchgang noch die ursprüngliche Bedeutung der Halle aufrecht hält.

Es ist bereits vorhin auf die Ähnlichkeit der Wandgliederung des großen Saales
mit jener im Pantheon hingewiesen worden. Bei Betrachtung des Querschnittes, wie
derselbe in der Rekonstruktion sich darstellt, muß auch die Ähnlichkeit des Baumver-
hältnisses von Breite zu Höhe in beiden Bauwerken auffallen. Nun ist jedoch das
Pantheon nach den neueren Untersuchungen in seiner jetzigen Gestalt erst unter Hadrian,
vielleicht 40 Jahre nach dem Flavierpalast, erbaut worden.2 Es ist somit nicht unwahr-
scheinlich, daß gerade der große Saal des letzteren für die Raumbildung des vielbe-
wunderten römischen Bauwerkes einigermaßen vorbildlich war, indem sowohl die Haupt-
verhältnisse wie die Ausstattungsform auf den runden Raum übertragen wurde. Auch

1 Vergl. Chosy, A., L'art de bätir chez les Romains. Faris 1873.

2 Vergl Dürrn, Dr. J., Die Baustile der Etrusker und Römer. 3. Auflage.
 
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