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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 1.1907/​8

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Schulz, Bruno: Die Ergänzung des Theodorich-Grabmals und die Herkunft seiner Formen
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https://doi.org/10.11588/diglit.19218#0226

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noch eine ganz besondere Betrachtung, die Profile der beiden äußeren Türumrahmungen.
Durin stellt sie mit syrischen Profilen nach De Vogüe zusammen, um die Ähnlichkeit
zu beweisen, Haupt sucht die Beweiskraft der Ähnlichkeit durch die Möglichkeit un-
genauer Aufnahme abzuschwächen und will ihm das Profil der oberen Tür korrigieren;
aber seine Darstellung ist erst recht falsch. Abbildung 11 gibt das richtige Profil des
Türgewändes nach genauem Aufmaß zum Vergleich mit Durm und Haupt. Keiner aber,
auch vou den früheren Bearbeitern nicht, hat dabei gemerkt, daß es sich hier um ein
weit größeres Problem handelt als um bloße Ähnlichkeit mit syrischen Formen, daß diese
beiden Profile etwas grundsätzlich Neues in der Entwicklungsgeschichte der Formen
sind, das einzig wirklich Neue an dem Bauwerk. Alles andere, die Zweigeschossigkeit,
die zentrale Anlage, die Grundriß- und Gewölbeformen beider Räume, die plastische
Wanddekoration, die Bronzegitter, die übrigen Formen der Türen, das Arkosolium,
auch die Ornamentik und die Überdeckung eines Raumes mit einem großen Stein,
alles ist vorher irgendwo schon öfter nachweislich dagewesen, nur solche Türprofile nicht.
Sämtliche antiken Türen, die wir kennen, verdanken bei aller Verschiedenheit im ein-
zelnen ihre Ausbildung einer für das gesamte Altertum und all seine verschiedenen Völker
merkwürdig stereotypen Grundauffassung: Die Tür (ebenso meist auch das Fenster
und oft auch die Nische) wird als eine feste für sich bestehende, oft gar nicht mit der
Wand in Verband gebrachte Zarge aus Schwelle, zwei Pfosten und Sturz hergestellt,
Sturz und Pfosten haben im Prinzip, abgesehen vom Falz für den Türanschlag, recht-
eckigen Querschnitt, und eine Ausbildung in Profilen und Reliefschmuck tritt immer
nur auf der vorderen Ansichtsfläche dieses Türrahmens oder auch auf der Laibungs-
fiäche auf, greift aber nie über die Kante zwischen beiden Flächen. Stets
bilden Laibungsfläche und Ansichtsfläche an der Innenkante einen
rechten Winkel; die Profile sitzen auf beiden Flächen getrennt und bilden nie ein
Kantenprofil. Es ist mir, soviel ich auch von antiken Formen gesehen habe, in der Tat
keine einzige Ausnahme davon bekannt; auch die von Durm zum Beweis der Ähnlichkeit
mit den ravennatischen zitierten, und die sonstigen Türprofile bei De Vogüe bilden keine,
auch sie haben die rechtwinklige Innenkante. Hier an den Grabestüren des großen Theo-
dorich tritt zum erstenmal das Kantenprofil auf, das für die gesamte Entwicklung der mittel-
alterlichen Tür typisch ist. Denn durch weitere Ausbildung dieses Prinzipes der Kanten-
profilierung bekommt dann die mittelalterliche Tür in dicken Mauern jene tiefen, nach außen
sich erweiternden Laibungen, die ihr eine eigenartige ästhetische Ausdruckskraft verleihen,
wie sie die antike Tür nicht hat, indem sie sich gleichsam zu öffnen scheint, wie um Ein-
tretende von allen Richtungen her aufzunehmen. Wie aber kam der Meister der Tür zu dem
Kantenprofil? Vielleicht — ich weiß keinen anderen Grund — von der Zimmermanns-
übung her, das Kantholz abzufasen oder zu Stäben, was ja beim Holz zur Vermeidung des
Splitterns an der Kante natürlich ist. Dann wäre gerade in diesem Profil der Einfluß des
germanischen Holzbaues für die Entstehung einer langen Entwicklungsreihe von be-
deutenden, für das gesamte Mittelalter charakteristischen Formen nachgewiesen.

Freuen wir uns also und seien wir stolz, wenn vorurteilsfreies Forschen nach
den Gründen zu Ergebnissen führt, die für das Germanentum ehrenvoll sind, hüten wir
uns aber, daß dieser Stolz uns in streitigen Fragen zu Vorurteilen verleitet, und be-
denken wir, daß das Wort: «Deutsch ist, die Sache, die man treibt, um ihrer selbst
und der Freude an ihr willen treiben» immer noch die schönste Kennzeichnung deut-
schen Wesens bleibt — und schließlich auch die für den Deutschen nützlichste.
 
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