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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 1.1907/​8

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Bruck, Robert: Der Place Louis XV und Contants Projekt für die Madeleine-Kirche zu Paris
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https://doi.org/10.11588/diglit.19218#0237

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Der Place Louis XV und Gontants Projekt für die Madeleine-Kirche zu Paris. 225

gebenem Tambour, und mit seiner kolossalen Säulenvorhalle uns heute als lehrreiches
Beispiel für die Stilart der Zeit gilt. Der streng antikisierende Stil hatte eine viel
längere Dauer als das heitere Rokoko, das durch die allgemeine Kultur der Zeit und
des Landes seiner Entstehung bedingt, nur den beweglichen und leichtsinnigen Menschen
dieser Periode angehören konnte. Streng klassizistisch bleibt der Stil während der
furchtbar ernsten Zeit der Revolution («Style Messidor») und in steigender, doch nüchterner
Prachtentfaltung als «Style Empire» während des ersten Kaiserreichs.

Man sieht oft in dem Rokoko Ludwigs XV. nur die spielend reizvollen Ver-
zierungen, betrachtet nur die Innenausstattungen mit ihren Stuckornamenten, Wand-
vertäfelungen usw., ohne die große, gewaltige Kraft in der Baukunst jener Zeit zu berück-
sichtigen, die großartigen schöpferischen, wenn auch nicht immer ausgeführten Bau-
gedanken zu beachten, die jene Zeit entstehen sah. Nicht allein Paris, wo damals das
vornehme Faubourg St. Germaiu entstand, und lange Straßenzüge, in denen sich für den
vornehmen Adel, für die reichen Spekulanten und Kaufleute, die höheren Beamten
und die in Üppigkeit schwelgenden Geistlichen ein reiches Hotel an das andere reihte,
zeichnete sich aus, sondern überall in den großen Provinzstädten des Landes betätigte
sich regster Baueifer, um neben den Prachtbauten auch dem Privatbaue diejenige Ge-
staltung zu verschaffen, die dem behaglichen und bequemen Wohlleben, den erhöhten
Ansprüchen der Zeit angepaßt war. LTnterstützt wurde die Baukunst durch das damals
zu großartiger Blüte gelangte Kunstgewerbe eines Charles Andre Boulle, Robert Le
Lorrain, den Caffieri, der Martincourt, Prieux, Duplessis, Germain, Hervieux und vieler
anderer. Gerade damals machten sich im vornehmen Privathause zuerst Wandlungen
geltend, die heute noch mit dem Begriffe der Behaglichkeit und Wohnlichkeit aufs
engste verbunden sind: Die Trennung der mehr der Repräsentation dienenden Räume
von den intimeren des eigentlichen Haushaltes. Die . geheimen und Nebentreppen kamen
auf, die Anordnung der Räume derart, daß nichts von den etwa störenden Arbeiten der
Dienerschaft gemerkt wird. Das früheste Beispiel hierfür ist das Palais de Bourbon
von 1722. Selbst auf kleine technische Verbesserungen war man aus. So ist die da-
mals neue Einrichtung der Kamine interessant, vermittels der zwei aneinander anstoßende
Räume durch einen gemeinsamen Kamin geheizt wurden. Das Feuer lag auf einem
drehbaren Rost und man konnte durch eine leichte Drehung je nach Wunsch das Feuer
in den Kaminteil des einen oder des anderen Zimmers überführen.

Der Prunk und die verschwenderische Pracht des ausschweifenden Königs und
seines Hofstaates übten naturgemäß eine mächtige Anziehungskraft auf die Künstler
aus, die auch in den Hauptstädten des Auslandes die Art der Heimat zu Ansehen zu
bringen bestrebt waren. Allerorts treffen wir auf französische Künstlernamen in jener
Zeit. Der erste Architekt in Petersburg war La Mothe, in Berlin finden wir Le Glay,
in Kopenhagen Jardin, in München Cuvilliers, in Stuttgart La Guepiere, in Mannheim
Pigage, in Madrid Marquet, in Parma Petitot, in Dresden Longuelune und ähnlich ver-
hält es sich mit den Bildhauern und Malern. Den Baukünstlern Frankreichs kam dabei
das Auffinden neuer Steinbrüche, weißer und gelblicher Marmorarten bei Fontainebleau,
Bourbonnois und in der Guienne, der Granit- und Porphyrbrüche bei Limoges sehr
zu statten. Die Baukunst erfuhr auch mannigfache wissenschaftliche Bearbeitung in
jener Zeit, wovon ich nur die Werke Blondels «Recueil de l'architecture francaise»,
d'Argenvilles' Buch über Gartenkunst, Boffrands Beschreibung seiner Bauten und Fre-

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