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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 1.1907/​8

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Strzygowski, Josef: Zur frühgermanischen Baukunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.19218#0260

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248 Josef Strzygowski-Graz.

und herrschend gewordenen Zeitströmung muß es sich gefallen lassen, daß ihm Unduld-
samkeit und Mangel an vornehmer Zurückhaltung vorgeworfen werden. Ich hahe beim
Lesen seiner zweiten Auflage der etruskisch-römischen Baukunst und der Baukunst
der Renaissance in Italien empfunden, daß da eine große Arbeitsleistung und Über-
zeugung in einer Zeit vor die Öffentlichkeit tritt, die längst nicht mehr den starken
Glauben an diese Dinge hat wie einst. Ich hätte leicht dagegen Stellung nehmen
können, tat es aber nicht, zum guten Teil deshalb, weil ich eine aufrichtige Hoch-
achtung für die Meinung eines Alten habe, dem wir so viel verdanken. Ich dächte, es
hätte Dürrn Ehre gemacht, wenn er auch uns Männern einer neuen Zeit Achtung
gezollt hätte, mag auch manches ihm unreif oder unrecht erscheinen,

Dürrn fährt fort: «Die Namen (Dehio, Dörpfeld, Neuwirth, Winnefeld und Zemp)
sind gut, aber Architekten sind es nicht, welche die Geschichte der Architektur zu schreiben
doch in erster Linie berufen wären, wenn sie die nötige Vorbildung haben». Die alte Ge-
schichte: nur der Maler soll über Malerei, womöglich nur der Bildhauer über Plastik schreiben.
Daß ein Dürrn sich im Ärger zu solchen Behauptungen hinreißen läßt! Die letzte Kon-
sequenz würde sein, daß — da ja auch die Architekten untereinander naturgemäß un-
einig sind — nur Josef Dürrn über Architektur schreiben dürfte, vor allem natürlich
im Bannkreise seiner Karlsruher Einflußsphäre. Empfindet Dürrn nicht — er, der doch
sonst kaum oft einer Meinung mit dem Berliner Lutsch sein dürfte —, daß ein Angriff
auf Dehio als eines urteilsfähigen Fachmannes in Sachen der Architektur einem Lächeln
begegnen muß, von den andern Herren nicht zu reden? Wie ungerecht Durm ist, zeigt
sein Ausfall gegen mich selbst. Ich habe im ersten Hefte dieser Zeitschrift eine Notiz
über den Kiosk von Konia gebracht lediglich zu dem Zweck, «daß sich unsere Architekten
und Kunsthistoriker ernstlich an die Aufnahme des Bestandes (der seldschukischen Denk-
mäler Kleinasiens) machten». Es handelte sich um ein Denkmal, das kurz vorher teil-
Aveise eingestürzt war1 und von dem ich, um die Aufmerksamkeit der Architekturhistoriker
wachzurufen, auf Grund älterer Photographieen berichtete. Durm nun meint: «Welchen
Wert eine derartige Sachbehandlung für den Architekten haben soll, wollen wir dahin-
gestellt sein lassen». Ja, sollte die Notiz denn an sich einen Wert haben? Sollte denn
nicht nur das Interesse geweckt werden, damit sich endlich ein Architekt an die Auf-
nahme dessen, was für die Wissenschaft noch zu retten wäre, machte?

Der Titel des Durmschen Ausfalles lautet: «Nochmals das Grabmal des Theo-
derich in Ravenna». Ich will auf die im Augenblick ausschließlich zwischen drei Archi-
tekten (Haupt, Durm und Schulz) schwebende Kontroverse hier gar nicht eingehen. Ich
freue mich des Streites; solange er sachlich geführt wird, kann dabei nur das Wichtigste
gewinnen, worauf unsere Arbeit in den nächsten Jahrzehnten gerichtet sein muß: neben
der Antike endlich einmal auch die Denkmäler anderer Richtung, vor allem die des
Orients zu studieren. Das Grabmal des Theoderich ist ein für einen Germanenfürsten
errichtetes Denkmal orientalischen Stils, also kann jede Kontroverse nur belebend auf
die Stagnation wirken, wie sie nicht zuletzt durch Dürrns einseitig erfaßte Baukunst
der Etrusker und Römer herbeigeführt worden ist. Ich möchte hier lediglich eingehen
auf die erste Anmerkung, die Durm zu seinem Ausfalle macht. Im Anschluß an einen
Aufsatz in der Deutschen Bauzeitung (No. 22 vom 14. III. 08) über «den Wert des National-

1 Vergl. Mendel in der Revue de l'art anc. et mod. XXIII (1908), p. 13.
 
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