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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 2.1908/​9

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Bühlmann, Josef: Das Mausoleum in Halikarnaß
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https://doi.org/10.11588/diglit.19219#0038

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werke, S. 242.) Zu der Gruppe gehörten jedenfalls, und zwar an beiden Enden auf-
gestellt, die Statuen der pfeilschießenden Götter Apollo und Artemis, wie dies der dar-
gestellte Vorgang erfordert und wie dieselben auf Sarkophagreliefs mit den Niobiden
zusammen dargestellt sind.1 Die Mythe von Niobe und ihren Kindern wurde namentlich
mit dem frühen Hinscheiden der Menschen in sinnigen Zusammenhang gebracht und
war deshalb ein beliebter Gegenstand für Sarkophagreliefs. So wird wohl auch das
Original der Florentiner Niobiden an einem Grabmal aufgestellt gewesen sein. Hierzu
bedurfte es jedoch einer bedeutenden Größe des Bauwerkes, um an einer Wand des-
selben die Aufstellung zu ermöglichen, und kaum erfüllt hierfür ein anderes Denkmal alle
Bedingungen so vollkommen wie das Mausoleum zu Halikarnaß. Wenn man die-Figuren
der Originalgruppe etwas über lebensgroß annimmt, so gewinnt die ganze Gruppe mit
den beiden Götterstatuen eine Ausdehnung, die gerade der Langseite des Mausoleums
entspricht. Wenn die hier ausgesprochene Vermutung richtig sein sollte, so wären die
Niobiden, als an der Südseite stehend, nach dem Text des Plinius als ein Werk des
Timotheos zu bezeichnen.2

Zu der ersten Terrasse, auf welcher das Denkmal stand, kam noch eine tiefer-
liegende zweite hiuzu. An der Ostseite des Rechtecks haben die englischen Aus-
grabungen in einer Entfernung von 22 Fuß von der ersten Terrassenmauer einen
zweiten Terrassenabsturz festgestellt, dessen Vormauerung viel stärker und aus größeren
Quadern hergestellt war als bei der oberen Terrasse. Die Höhe betrug an der Mitte
der Ostseite ungefähr 8 Fuß, sie muß jedoch an der Südseite dem fallenden Außen-
terrain entsprechend viel bedeutender gewesen sein. An dieser Seite war die Unter-
suchung des Bodens verhindert, die Terrasse scheint jedoch bis zu einer im Situations-
plan Taf. II gezeichneten, mit dem Rechteck parallelen Geraden ß— y gereicht zu
haben. Es ist wahrscheinlich, daß die unteren Terrassenmauern von den Johannitern
zuerst abgebrochen und als Baumaterial verwendet wurden, um für die Herunterschaf-
fung der größeren Bausteine freien Raum zu gewinnen. Man wird somit kaum er-
warten können, daß sich von ihnen noch erhebliche Reste unter der Erde befinden.
Außerhalb der östlichen Terrassenmauer fanden sich im Terrain tiefe unregelmäßige
Einschnitte, die entweder von einem Steinbruch oder von früheren Bauanlagen herrühren.

Die Peribolosmauer an der Nordseite, die einst die mutmaßliche Säulenhalle trug,
ist auf größerer Länge ermittelt worden, als die beiden Terrassen sich erstreckten. Es
ist anzunehmen, daß das Areal des Mausoleums sich über die Terrassen hinaus aus-
dehnte, um dieselben von Anbauten frei zu halten und für Gartenanlagen Raum zu
gewähren. Nun gibt, wie oben bemerkt, Hyginus den Umfang des Mausoleums zu
1340 Fuß an. Wenn man dieses Maß auf die vier Seiten eines Quadrats verteilt, so
ergibt sich für eine Seite eine Länge, die nur wenig über diejenige der aufgefundenen
nördlichen Mauer hinausreicht. In der Tat ist auch in dem entsprechenden Abstände

1 Beispiel: ein schöner Sarkophag in der Münchener Glyptothek (No. 205).

2 Nachträglich kam dem Verfasser die Nereide, die einst ein Akroter des Tempels des Asklepios zu
Epidauros bildete, zu Gesicht. Da für dieses Bildwerk die Autorschaft des Timotheos gesichert ist (vergl.
Kekule v. Stradonitz, Die griechische Skulptur, Berlin 1906), dürfte die Vergleichung desselben mit
der vatikanischen Niobide, die wahrscheinlich zu der Originalgruppe gehörte, für die Richtigkeit der ent-
wickelten Hypothese von besonderer Bedeutung sein. In der Tat ist die Ähnlichkeit in der Behandlung der
Gewandmotive so groß, daß auch die genannte Niobide als eine Arbeit des Timotheos gelten könnte.

J. Bühhnann.
 
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