im Leben sich zu behaupten, wird er das Leben besser künstlerisch meistern
können, wenn er das nunmehr versucht.
Lugen Ralkschmidt.
Groltbussens Vrobleme und Lbarastterstöpte.
„Jch glaube, die literarische Kritik muß wiedcr mehr Fühlung mit dem
Publikum gewinnen. Sie mutz das Technische zurücktreten lasscn, das All-
gemein - Menschliche und das Schöne schlechthin in den Vordergrund stellen.
Sie muß unbedingt auf alle überflüssigen Schlagworte und die geistreichelnde
Sucht nach der Formulierung neuer Kunstprinzipien u. s. w. vcrzichten. Und
cndlich darf sie den Künstler nicht aus dem Erdreiche, in dem er menschlich
wurzelt, herausreißen, um ihn in das Hcrbarium irgendwelcher ästhetisch-
technischer Programme zu pressen, sondern sie muß ihn im Gegenteil vom
Wurzelboden aus untersuchen, seine Weltanschauung, sein Verhältnis zu der
Zeit und zu den letzten Dingcn beleuchten. Gerade darauf richtet sich das
größte Jnteresse der Zeitgenossen, die gewohnt sind, in dem Dichter nicht nur
dcn Künstler, sondern auch den Propheten und geistigcn Führer zu sehen. Die
Kritik soll sich nicht auf die Auseinandersetzung mit dem Verfasser beschränken,
sondern auch ihrer Aufgabe als Vermittlerin zwischen ihm und dem Publikum
stets bewußt bleibcn. Mit zwei Worten: sie muß praktischer und natürlichcr
werden."
Diese Ausführungen, die in dem Vorwort des Freiherrn Jeannot Emil
von Grotthuß zu seinen Studien „Probleme und Charakterköpfe" (Stuttgart,
Greiner L Pfeiffer) enthalten sind, proklamieren im wesentlichen die Kritik
des „gesunden Menschenverstandes". Jn der Forderung, datz dcr Künstler vom
Wurzelboden aus zu untersuchen und seino Weltanschauung zu beleuchten sest
scheint freilich mehr zu liegen. Aber von dem Erdreich, in dem der lebende
Künstler menschlich wurzelt, wissen wir in der Regel wenig genug, und die
Weltanschauungssrage kann in der Besprechung eines Kunstwerks natürlich
nicht mit philosophischem Tiefsinn behandelt werdcn, der dem Publikum auch
ebensowcnig eingehen würde wie die üsthetische Spekulation. Bedenkt man
das, so wird man zugeben, daß der „gesunde Menschcnverstand" in einer
Kritik, wie sie Grotthuß wünscht, zum ausschlaggebenden Faktor werden muß.
Sehen wir zu, wie weit Grotthuß selber mit dem gesunden Menschenverstand
gelangt ist.
Er behandelt in seinem Buche Nietzsche, Hauptmann, Sudermann, Voß,
Jbsen, Tolstoj, Echegaray, Maupassant und zusammenfassend noch einige andere
Poeten wie Liliencron und Dehmel, er schreibt über „Alte und ncue Jdcale".
„Das crotische Problcm in der Literatur", „Publikum, Literatur und Pressc".
Wir wollen ihn in scinem Verhältnis zu Hauptmann und Sudermann be-
trachten, da anzunehmen ist, daß ihn da fast jedcr Lescr kontrollieren kann.
Mit wünschenswertester Deutlichkeit hat Grotthuß selbst zum Schluß des
Sudermann - Aufsatzes seine Anschauung über die bciden Dichter präzisiert:
„Hauptmann betrachtet die Dinge mehr im einzeluen, Sudermann mchr im
ganzen, in ihrem großen Zusammenhange. Jener strebt mchr nach Wirk-
lichkeit im Detail, dieser mehr nach Wahrheit im Großen. Sudermann
Kunstwart Novemberheft töI8
können, wenn er das nunmehr versucht.
Lugen Ralkschmidt.
Groltbussens Vrobleme und Lbarastterstöpte.
„Jch glaube, die literarische Kritik muß wiedcr mehr Fühlung mit dem
Publikum gewinnen. Sie mutz das Technische zurücktreten lasscn, das All-
gemein - Menschliche und das Schöne schlechthin in den Vordergrund stellen.
Sie muß unbedingt auf alle überflüssigen Schlagworte und die geistreichelnde
Sucht nach der Formulierung neuer Kunstprinzipien u. s. w. vcrzichten. Und
cndlich darf sie den Künstler nicht aus dem Erdreiche, in dem er menschlich
wurzelt, herausreißen, um ihn in das Hcrbarium irgendwelcher ästhetisch-
technischer Programme zu pressen, sondern sie muß ihn im Gegenteil vom
Wurzelboden aus untersuchen, seine Weltanschauung, sein Verhältnis zu der
Zeit und zu den letzten Dingcn beleuchten. Gerade darauf richtet sich das
größte Jnteresse der Zeitgenossen, die gewohnt sind, in dem Dichter nicht nur
dcn Künstler, sondern auch den Propheten und geistigcn Führer zu sehen. Die
Kritik soll sich nicht auf die Auseinandersetzung mit dem Verfasser beschränken,
sondern auch ihrer Aufgabe als Vermittlerin zwischen ihm und dem Publikum
stets bewußt bleibcn. Mit zwei Worten: sie muß praktischer und natürlichcr
werden."
Diese Ausführungen, die in dem Vorwort des Freiherrn Jeannot Emil
von Grotthuß zu seinen Studien „Probleme und Charakterköpfe" (Stuttgart,
Greiner L Pfeiffer) enthalten sind, proklamieren im wesentlichen die Kritik
des „gesunden Menschenverstandes". Jn der Forderung, datz dcr Künstler vom
Wurzelboden aus zu untersuchen und seino Weltanschauung zu beleuchten sest
scheint freilich mehr zu liegen. Aber von dem Erdreich, in dem der lebende
Künstler menschlich wurzelt, wissen wir in der Regel wenig genug, und die
Weltanschauungssrage kann in der Besprechung eines Kunstwerks natürlich
nicht mit philosophischem Tiefsinn behandelt werdcn, der dem Publikum auch
ebensowcnig eingehen würde wie die üsthetische Spekulation. Bedenkt man
das, so wird man zugeben, daß der „gesunde Menschcnverstand" in einer
Kritik, wie sie Grotthuß wünscht, zum ausschlaggebenden Faktor werden muß.
Sehen wir zu, wie weit Grotthuß selber mit dem gesunden Menschenverstand
gelangt ist.
Er behandelt in seinem Buche Nietzsche, Hauptmann, Sudermann, Voß,
Jbsen, Tolstoj, Echegaray, Maupassant und zusammenfassend noch einige andere
Poeten wie Liliencron und Dehmel, er schreibt über „Alte und ncue Jdcale".
„Das crotische Problcm in der Literatur", „Publikum, Literatur und Pressc".
Wir wollen ihn in scinem Verhältnis zu Hauptmann und Sudermann be-
trachten, da anzunehmen ist, daß ihn da fast jedcr Lescr kontrollieren kann.
Mit wünschenswertester Deutlichkeit hat Grotthuß selbst zum Schluß des
Sudermann - Aufsatzes seine Anschauung über die bciden Dichter präzisiert:
„Hauptmann betrachtet die Dinge mehr im einzeluen, Sudermann mchr im
ganzen, in ihrem großen Zusammenhange. Jener strebt mchr nach Wirk-
lichkeit im Detail, dieser mehr nach Wahrheit im Großen. Sudermann
Kunstwart Novemberheft töI8