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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 12,1.1898-1899

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Heft 1 (1. Oktoberheft 1898)
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Avenarius, Ferdinand: Theodor Fontane
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Batka, Richard: Die Gefahren der öffentlichen Musikpflege
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https://doi.org/10.11588/diglit.7957#0019

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Kränze rveg — seine letzten Romane sind die bedeutendsten deutschen Gegen-

roartsschilderungen aus unserer Zeit.

Man betont immer wiedcr den Preußen in Fontane. Man sollte
doch nicht vcrgessen, datz er aus Frankreich stammte. Preutze vom Scheitel
bis zur Zeh ist Adolf Menzel, der grötzte prcutzische Künstler, der je gelcbt hat.
Fontane zeigte die glückliche Mischung von Franzosen- und Preutzengeist, die
unS an manchem bcdeutenden Mannc erfreut. Die Liebenswürdigkeit, die An-
mut, die Plauderkunst Fontanes, sind denn das in besonderem Matz preutzi-
sche Eigenschaftcn? Mir scheint im Gegenteil: für die recht eigentlich preutzi-
schen Tugendcn hat Fontane zwar eine sehr hohe theoretische Schätzung gehabt,
praktisch ausgeübt aber hat er sie zum mindesten nicht vorzugsweise. Ja, seine
Vorlicbe sür manches „Preutzische" cntsprang vielleicht gerade dem Gefüh»,
datz cs seine eigne Natur ergänze. Will man eine sittliche Eigcnschast in
den Mittclpunkt seiner Charakteristik stcllen, so trisst man auf eine, die cbcn-
sowenig mit dcm Franzosen- wie mit dcm Prcutzentum an sich zu thun hctt.

Jch meine die sein ganzes Wcsen vollkommcn beherrschende, leitcnde Toleranz.

Es ist zwar erstaunlich, wie klar Fontane bei seinen Licbcn auch die Schwächcn
und Mängel sieht, und wie ruhig er von ihnen spricht. Auch dann aber zcigt
cr nicht nur keine „preutzische" Satire und kein „berlinisches* Spotten, sondern
auch kein sranzösisches „Medisieren". „Es i st eben so, und so wird's rvohl sein
Jnteressantes haben, die Leute selbst aber können doch cigentlich nichts dafür."
Man mag sehr viel einwendcn gegen solche Weltanschauung, die Schwächere
zum Quietismus führen würde, bei Fontane kommc ich wenigstens nie zur
Unlust: die grohe goldene Güte leuchtet zu sonnenhaft hinter allcm, was cr
sagt. Er bespricht ruhig die Schwächen, weil ihm Schwächen bei Menschcn
selbstvcrständlich sind. Und mit welcher Feinheit bespricht er sie l

Fontane erinnerte mich einmal an Macaulays Wort: „wär ich im
Standc, das Alltagsleben der City von London ums Jahr zu schildern,
so gäbe ich meincn ganzen Historikerruhm dafür hin." Lange, lange wird
man auf Fontanische Schilderungen zurückgrcifen, will man sich vors Auge
sühren, wie die Märker unsrer Zeit lebten, dachten und thaten. Vielleicht datz
von seinen Preutzen-Balladen die oder jene noch längcr klingen wird, Bolks-
licd gewordcn, wenn es dann wieder Molksliedcr gibt. Uns Zcitgenossen
kann so wertooll wie seine Dichtung, so vorbildlich seine Menschcnpersönlichksit
scin. ZLie kannte cr sich — man beachte nur, datz cr, der cinflutzrciche ^.heatc»
kritikcr, der nebenbci ein Poet war, nicmals „sürs Thcater^ gcschriebcn h tt.
Von all' dcn Brüdern in Apoll ist er dcr gcsundcste gewesen, wic er
von all' unsern Roman-Dichtern der natürlichste, der ehrlichste, der sachlichstc
war. Minder gesund, wär er minder bedcutcnd gcwesen. Viellcicht denkt
gerade darüber ein oder der andere seiner jungen Bewunderer auch einmal nach.

Ueber Fontanes letzte Werke sprechen wir im Kunstwart noch. A-

E-

Die Getukren der ökkentlicben ^ldusillpklege.

Man hört es ost von Künstlcrn, namcntlich von solchcn, die sclbst kciuc
Opcrn schreiben: die Thcater verdürben die Musik. Jn gewissem Sinnc sagt man
daS unbestreitbar mit Recht; nur wäre dcr Satz dahin zu verallgemeinern, datz daS
üffentliche Musizieren überhaupt dcr wahrhaft künstlerischen Pslegc dcr
Tonkunst Nachteile gebracht und den Kultus des Virtuosentums grotzgezogen
^sunstwart (Ddtoöerhest !69^
 
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