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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 12,1.1898-1899

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Heft 5 (1. Dezemberheft 1898)
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Kunstphotographie
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https://doi.org/10.11588/diglit.7957#0161

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Aunstpbotograpbie.

Als wir Studenten waren, grün noch von Geist und ehrfurchtslos
von Gemüt, liebten wir's, aus den Anhängckästen der Photographen die
kostümierten Helden und Heldinnen vom Theatcr blicken zu sehn. Sie
blickten sonderbar ins Tageslicht; dieselben, die uns im Kunsttempel der
Musenstadt gar wohl ans Herz zu rühren verstanden, gaben uns zu den
Tragödien nun Satyrspiele eigner Art: die Lockenperrücke, hier auf der
Photographie wurde sie nicht zum wallenden Haar, das Kostülw, hier
ward es nicht zur Tracht, die große Geste nicht zur lebendigen Be-
wegung, das Mimengesicht nicht zum Heldenantlitz, die Maske nicht zum
Wesen — wie Kinder waren wir, die das Spielzeug zerschlagen, um
drein zu schauen: wie sonst die Schauseite, so vergnügte uns nun die
Kehrseite der Theaterkunst, dic Komödianterei. Aber wir wurden durch
unsre Schaukastenstudien auch aufmerksam auf das Theaterhafte in den
gewöhnlichen, den „bürgerlichen" Photogrammen. Eigentlich war's ein
Wunder, daß wir's jetzt erst wurden, nur die Allgemeinheit der Erschei-
nung erklärt, daß keiner sich dran stieß. Erinnern sich die Leser, wie
man damals, vor zwei Jahrzehnten noch, photographierte? Nein, nun
schauspielere ich selber, denn ich weiß es ja: man photographiert heute
auch noch so.

Allerdings, nicht mehr so allgemein. Daß man vor einem ge-
waltig reich geschnitzten Schreibtische im Zimmer an einer steincrnen
Garten-Ballustrade sitzt, hinter welche der Große Geist des Lichtkünstlers
das schöne Ncapel mit Golf und Vesuv herbeigezaubert hat, es ist wenig-
stens in den großstädtischen Ateliers jetzt immerhin eine Seltenheit. Und
die photogräphlichen Marterwerkzeuge, die den Kopf zum Stillhalten
zwingen und den Neuling so angsterregend an den Zahnarzt erinnern,
sie amten den schnellen Trockenplatten zum Dank nicht mehr überall, wenn
sie auch noch da und dort spuken am hellcn lichtcn Tag. Man versteckt die
Komödianterei besser. Aber man gibt dem Wesen nach immer noch die
Unnatur für die Natur. Man dient noch heute, Ausnahmen immer zw

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