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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 12,1.1898-1899

DOI Heft:
Heft 4 (2. Novemberheft 1898)
DOI Artikel:
Schultze-Naumburg, Paul: Künstlerische Weihnachtsgeschenke
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https://doi.org/10.11588/diglit.7957#0121

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Ikünsrlerisclie 'MeibnAcbrsgescbenke.

Es gibt bei uns eine wundersame Spezies von reich verzierter
Ware, die man „Kunftgegenstände" nennt. Kein Mensch dächte je im
tiefsten Traume daran, sich so etwas zu kaufen, und keiner verlangt im
hellsten Wachen jemals nach seincm Besitze. Wer's aber geschenkt be-
kommt, der sagt: „ei!", denn von Geschlecht zu Geschlecht hat sich in
ihm der fromme Glaube vererbt, dieser Gegenstände Wirkung sei, „das
Leben zu verschönern". Deshalb: hältst du etwas auf dich, so mußt
du ja wohl dergleichen im Hause haben, es geht nicht anders, denn: als
Gebildeter mußt du dir „das Leben verschönern", dazu aber sind jene
Dinge da, — also! Früher nannte man sie „Galanterieartikel", jetzt
nennt man sie mehr „Geschenksgegenstünde". Denn was du dir nicht
selber thust, das füge du den andern zu: kaufsl du „das" nicht für dich,
so kauf es, um es zu verschenken, wie du deinerseits dergleichen geschenkt
kriegst. Seine Gestalt ist mannigfaltig: es kann aus Zinkguß und
bronziert, es kann aber auch aus „cuivre polll' sein, oder aus Por-
zellan, in welchem Falle zumeist Rosen daran kleben oder himmlische
Genicn, oder aus Krokodillederimitation mit Messingblech. Von deu Em-
pfängern liebt es der erfahrene besonders, wenn es aus Glas ist, denn
dieses entschuldigt vor dem Geschenkgeber eher ein Unglück, das über
Trümmern klagen lätzt. Aber die Erfahrenheit gedeiht, wie angedeutet,
hier langsam: bei weitem die meisten stauen und siapeln sich all ihrer
Jahre Geschenkskunstgegenstände auf und wandeln zagen Schrittes zwischen
ihnen herum. Mit den Hochzeitsgeschenken ging es los und mit jedem
Geburtstag und jeder Weihnacht wuchs dcr Segen.

Ernsthaft gesprochen: ach, es sind Karikaturen, diese „Kunstgegen-
stände", diese Prachtvasen, das Stück zu fünf Mark, diese Photographie-
rahmen und -ständer mit den Formgeschwüren und Zierratsausschlägen,
diese Photographiealbums mit ihren „reichgepreßten Metalldecken", diese
Briefbeschwerer, Lampen, Lämpchen und Laternen, diese Metalltische und
Majolikatische und Prachtteller, die ihr verlogenes Dasein damit moti-

Kunstwart 2. Novemberheft >,8tz8

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