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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 12,1.1898-1899

DOI Heft:
Heft 1 (1. Oktoberheft 1898)
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Batka, Richard: Gustav Mahler
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Schultze-Naumburg, Paul: Ueber Kunstpflege im Mittelstande, [8]: die Bilder in der Wohnung
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https://doi.org/10.11588/diglit.7957#0023

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Händen. Wie wohlgeformt ist das Andante dcr zweiten Sinfonie l Ein gra-
ziöser Ländler in Xs-äui-, den man als Tnrolienne bezeichnet hat, der aber
weit eher auf Mahlcrs böhmische Heimat zurückweist, wird, jedesmal durch
einen Zwischcnsatz unterbrochen, zweimal wiederholt und dabei rwn einer
neuen Tanzweise begleitet, die zur ersten im doppelten Kontrapunkt steht, d. h.
einmal in der Unterstimme und schließlich in dcr Oberstimme mitgespielt wird.
Diese fast scherzoartigsn, langsamen Sätze sind für den Sinfoniker Mahler ebenso
bezeichnend wie seine von religiöser Jnbrunst durchleuchtsten Finale. Sobald
es Mahlor ernst zu Mute wird, geht auch das Chaos, wenigstens für den
Hörer, wiedcr an, insofern als es schwer fällt, den mitunter versticgenen
Gängen seiner Gedanken zu folgen. Aber die einmal ausgelösten religiösen
Empfindungen greifcn um sich, dominieren und führcn nach dcn gewaltigsten
Konsiikten und Erschütterungen zu einer versöhnenden Katharse der Leiden-
schaften.

So deute ich mir Mahlers Kunst, deren großen Zug man auch dort ver-
spüren kann, wo einem das Verständnis ausgeht oder wo man ihn gelegent-
üch »in Jrrnis wild verloren" zu treffen wähnt. Was er uns künftig auch an
Freundlichem odcr Schlimmem, Neizendem oder Großartigem schaffen möge:
so wie cr heut schon ist, erscheint er als einer der aussallendsten Charakter-
köpfe unter den namhaften Tonkünstlern der Gegenwart. R. B.

Neber Ikrunstptlege Lm Mittelsrande.

8. Die Bilder in der Wohnung.

Die Aussätze des vergangcnen Jahrganges behandelten die Ausgestaltung
des Raumes selbst und der darin befindlichen Gebrauchsgcgcnständc. Von
Bildcrn solltc nicht dic Rcdc sein, bcvor cine Stättc, einc Art „crwcitcrten
Rahmens" für sic angenommen wcrden konnte.

Sieht das Haus nun so aus, wic cs bei cinem ästhetisch gebildeten
Menschen eigentlich aussehen müßte, so wird man daran gehen, die höchstcn
Genüssc, welche die bildcnde Kunst dem Mcnschcn zu bieten vermag, gleichsam
als Hausgut cinzusühren.

Aber ach, sollte ich nun die bis hcute in Deutschland übliche Kunstpflege
hinsichtlich der Bilder beleuchten, ich käme zu einer endlosen Jeremiade. Für
unsere Leser klänge dabci nicht einmal sonderlich Neues daraus, deshalb dcnk
ich, wir verzichten daraus, wieder von dcn Leuten zu reden, die Oeldrucke inS
Zimmcr hängcn odcr im Besitz der üblichen Kunstvereinsgcwinne sich glücklich
schätzen. Setzen wir lieber den Fall, ein Mann, der sehr wohl wüßte, was
Kunst sei, sühlte sich doch in Verlegenheit darüber, wie er seine Kunstlicbe
bethätigen sollte. —

Es handelte sich sür ihn zunächst um die dekorative Ausgestaltung der
Räumc durch Bildcr; das, was an Kunstschätzen in Mappen und Schränken
ruhcn soll, ist eine Sachc für sich. La ist nun zunächst vor dem Glauben zu
warnen, man schmücke eincn Raum dadurch, daß man allcs darin aufhängt
und zusammenstapelt, was man irgend besitzt oder auftreiben kann. Selbst
wcnn sichs unl Kunstwerke handelt, tröge solcher Glauben. Denn es gibt Dinge,
die als Kunstwerk bedcutend, aber nicht zum Zwecke des Schmucks cntstandcn
sind und dcshalb auch nicht an die Wand gehören. Und es ist deshalb eine
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