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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 12,1.1898-1899

DOI Heft:
Heft 9 (1. Februarheft 1899)
DOI Artikel:
Schultze-Naumburg, Paul: Kunstpflege im Mittelstande, [12]: Sammlungen
DOI Artikel:
Bie, Oscar: Der neue Berliner Dom
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https://doi.org/10.11588/diglit.7957#0314

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wie man sie alle nennen mag. Leider finden wir auch hierbei nur allzuhäufig
das Aesthetische vernachlässigt und das Kulturhistorische ganz allein zum Mittel-
punkte gernacht, wenn sich's nicht gar um die Kuriosität und die Rarität dreht.
Warum lassen sich so viele, die bewußt und mit Absicht im kulturgeschichtlichen
Jnteresse sammeln, die künstlerischen Werte, die sich dabei in reichster Fülle
einstellen, ganz entgehen? Jch wiederhole cs an dieser Stelle nochmals: der
zur Kunst schon Erzogene wird überall und überall Anregung zu Genüssen
finden, wo der andere nur ins Leere schaut. Sogar die wissenschastlichen
Sammlungen haben genau so gut auch ihre ästhetischen Werte. Von zwei ganz
gleich praktischerfiJnstrumenten odcr Apparaten kann der eine schön, der andere
unschön gebaut sein. Oft ihnen selbst unbewußt üußert sich auch bei Männern
der Wissenschaft dieses Wohlgefallen oder Mihbehagen in unverkennbarer Weise.
Mögen sie es vielleicht in Gedanken mehr auf Kosten der „Anschaulichkeit"
schieben; im Grunde handelt sich's um ästhetisches Empfinden. Jm hüchsten
Grade befriedigen das selbstverständlich die Na turali en sammlungen. Man
denke sich nur eine Schmetterlingssammlung, wo die künstlsrische Anregung so
offenbar zu Tage liegt, daß ein solcher Kasten geradezu zum Studiumfeld
eines Farben- und Formenmenschen für Jahre werden kann. Die koloristischen
Gedanken, die Stimmungswerte, die hier die Natur in Farben niedergelegt
hat, sie find von unerschöpflichem Reichtum. Bei näherem Hinsehen erschließt
derselbe Reichtum sich aber auf allen anderen Feldern, einer Käfersammlung
oder etwas Aehnlichem; ja, mikroskopische Präparate eröffnen dem mit rechtem
Verständnis Darangehenden ganz neue Gebiete der ästhetischen Betrachtung.
Welche Ouelle der höchsten Anregung bieten Mineralien, Steinschliffe und nun
gar Pflanzen! Hier komme ich auf ein neues Gebiet, das ich in einem eigcnen
Aufsatz behandeln möchte- Schultze-Naumburg.

Der neue WerlLner Dom.

Es gibt cinen cinzigen Platz in Berlin, auf dem eine gewisse Geschichte
ruht. Und da man die Erfahrung hat, daß nur die Geschichte gutc, interes-
sante Stadtbilder zu schaffen vermag, so ist es auch die einzig wirklich schüne
Stelle in Berlin. Jch meine die Umgebung des Schlosses. Der graue, ehr-
würdige Koloß des Schlosses selbst, das strenge Museum, die Spreeläufe mit
den malerischen Kähnen, die Schloßbrücke mit den Heroengruppen, die mit
ihrer antikcn Schönhcit in das nordische Klima hereinragen, der Blick in die
ncuen, kuppelbedeckten Stadtteile des industriellcn Berlins, — das gibt cin an-
ständiges Bild.

Seit ciniger Zeit sieht man die Kuppel des neuen Doms über diesen
Platz hinüberleuchten- Man sieht sie weit von den Linden hcr, und jedermann
hat das Gefühl, daß an diescr Stelle ein Bau entsteht, der zu den wenigen
gehört, die der Phrffiognomie dcr Stadt ihr Gepräge geben. Das Gerüst um-
gittert noch den Bau; aber schon bietet er fich dem Blick so weit dar, daß
man seine Gesamtwirkung und seine Einzelwirkungen beurteilen kann. Der
Laie wird mit diesem Dom sehr zufrieden sein- Er zeigt eine prächtige Re-
naissance-Fassade, ist von einer Hauptkuppel und mehreren Nebenkuppeln ge-
krönt, er sieht stolz und monumental aus; und im einzelnen ist die seine Glie-
derung zu beobachten, die die großen Architekten der Hoch-Renaissance nach
Aunstwart

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