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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 12,1.1898-1899

DOI Heft:
Heft 5 (1. Dezemberheft 1898)
DOI Artikel:
Kunstphotographie
DOI Artikel:
Weihnachtsschau, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7957#0164

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lernt es bald, aus den verschiedenen Photogrammen verschiedene Künstler-
Persönlichkeiten klar zu sondern und immer roiederzufinden, die als eigen-
artige Menschenmaler in eigenartiger Sprache zu uns sprechen.

Jch deutete an, wie man das erreicht hat. Mit den Augen des
Malers sah man auf die Natur, was „malerisch^ ist, wollte man ihr
abgewinnen. Nicht höchste Deutlichkeit jeder Ncbensache ist malerisch, die
alles mit gleicher Peinlichkeit vor dem Auge aufzählt und in alle Einzel-
heiten beschreibt. Man weiß es längst: Kurzsichtigen ist die Welt male-
rischer als Fernsichtigen, diesen zerstückelt sie sich, jenen baut sie sich aus
in großen Massen, in bedeutcnden Silhouetten. Mit der Annahme dieses
Satzes schon zerbrach man das bisherige Jdeal der Photographie. Aber
es blieb nicht hierbei. Man erstrebte auch für die Photographie bewußt
das malerische Spiel der Licht- und Schattenwerte mit einander, das
seinen größten Meister in Rembrandt dem Radierer gefunden hat. Man
begann die Massen abzuwägen zu einem Rhythmus der Flächen. Man
begann die Wichtigkeit der dunkeln Form zu erfassen und zu benutzen,
die sich im Schattenriß abhebt von lichterem Hintcrgrund. Man lcrnte
unterzuordnen und zu betonen auch in der Photographie. Man studierte
mit energischem Fleiß das Charakteristische dcr Bewegungen, von den
großen Gesten bis zum Mienenspiel. Die moderne Kunstphotographie
fühlt sich ganz und gar als das junge Schwesterlein der großen Künst-
lerin Malerei, von der sie mit leidenschaftlichem Fleiße zu lernen sucht.

Das ist das richtige, auf jeden Fall, für jctzt: ob es immer so
bleiben wird, wissen wir nicht. Sehen wir ein Lichtbild, das aussieht,
wie die farblose aber sonst gcnaue Kopie eines Oelgemäldes, so ver-
missen wir das Besondere im Eindruck, das uns sofort empsinden ließe:
ich bin cin Erzeugnis einer eigenen Kunst. Aber es gibt auch schon
künstlerische Photogramme, die ihrer künstlerischen Wirkung nach als etwas
durchaus „Apartes", Eigenartiges erscheinen.

Die ganze Bewegung der Kunstphotographie ist weit über das kleine
Neich der Photographenkünstler hinaus von Wichtigkeit. Sie wird all-
mählich die Amateure beeinstussen, durch diese das Publikum und die
Berufsphotographen. Sie wird nicht im Handumdrehn eine Menge neuer
Künstler auf die Welt setzen, abcr sic wird an vielen Stellen die Augen
em wenig, und an manchen Stellen die Augen sehr viel bilden zur
Empfänglichkeit für künstlerische Werte, Aufgaben und Bemühungen.
Und so wird sie, abgeschen von dem Schönen, das sie uns selbst bescheert,
vielleicht von Bedeutung werden für die künstlerische Erziehung unseres
Volkes, zu welcher bisher die Berufs- sowohl wie die Amateurphoto-
graphen so gut wie nichts beigetragen haben.

PAeibnacbtsscbau.

2. rNodcvne Litcratur.

Die literaturhistorische Kritik sucht mit Hilfe der aus dem vergleichenden
Studium der Weltliteratur gewonnenen Maßstäbe den wirklichcn Lebensgchalt
festzustellen, als dessen „Träger" die Kunst als solche erscheint, und weiter dcn
Wert einer Dichtung als nationalen und „menschheitlichen" Lebensgutes.
Kunstwart
 
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