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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 12,1.1898-1899

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Heft 3 (1. Novemberheft 1898)
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Urspruch, Anton: Die Technik des Sprechens
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Schultze-Naumburg, Paul: Ueber Kunstpflege im Mittelstande, [9]: die Bilder in der Wohnung
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https://doi.org/10.11588/diglit.7957#0099

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Vortragskünste ist eine verschiedene. Die Rhythmik des Sängers näh ert sich
dcr musikalischen, welche erst in der Jnstrumentalmusik ihren scharf bestimmten
Ausdruck gefunden hat, ohne sie je genau erreichen zu können und zu sollen;
die Rhythmik des Rezitators entfernt sich von ihr. Die Wirrnng des Red-
ners kann darum cine um so tiefere sein, iveil er — in geroissem Sinne unter
dem Bann des Augenblicks improvisierend — mit derjenigen Unmittelbarkeit
zu wirkcn vermag, welche stets die plötzliche Eingebung weit über eine vorbe-
reitete, überdachte Leistung erhebt. Der Sänger jedoch, wenn ihm auch der
Komponist vorgedacht haben sollte, hat eine höhere Steigerung der Kunst
selbst zur Seite; in seiner Macht steht es, durch seine Vortragskunst das Will-
kürliche seiner Leistung als etwas plötzlich Eingegebenes, Unwillkürliches er-
scheinen, durch wahrhafte, tönende Musik dasjenige vollenden zu lassen, was
im Grunde genommen doch nur aus dem Mutterschoße der Musik geboren war.

Eine Vortragscrläuterung lyrischer, epischer und dramatischer Stücke
schließt das Werk. Der Verfasser hätte nicht gründlicher und nicht geistrcicher
verfahren können, als er es hier that. Diese Vortragsanweisungen schlietzen
sich dem Besten an, was wir hierin besitzen, und spinnen ein Verfahren weiter
aus, das schon Goethe in seinen erwähnten „Regeln" andeutete. Und nun zum
Schluß: das Hermannsche Buch ist ein sprechendes Zeugnis für die tiefe Bil-
dung, Lchrtüchtigkeit, die rcifc Künstlerschaft und ideale Gesinnung seines Ur-
hebers. Möge die gute Saat, die hicr niedcrgelegt, aufgehcn zum Heile dcutscher
Redekunst! Anton Urspruch.

Meber Isrnnsrpüege ün lDittelsrande.

9. Nochmals: Die Bilder in der Wohnung.

Jm vorigen Aufsatz sprachen wir von der Aesthetik des Zimmerbildes.
Diesmal möchte ich im Anschluß daran noch einige rein praktische Fragen
erörtern, die in Nichtkünstler-Kreisen nur zu oft keine Antwort oder doch
keine Lösung findcn.

Jch sprach wiedcrholt vom Wandbilde als der natürlichstcn und am
besten und edelsten schmückendcn Form des Bildes. Man stelle sich cinen Raum
nur wirklich vor, dessen Hauptwand in einer gewissen Höhe vom Boden ab in
ihrer ganzen Ausdehnung von eincm Wandbilde ausgefüllt wird, das in seiner
diskretcn Tönung dcn Eindruck der abschließcnden Wand nicht unterbricht. Da
es ein Stück dcr Wand ist, hat es natürlich keinen Rahmen, sondern nur cine
schmale Lcisto, dic bci dem geringen Raum, den sie einnimmt, recht gut von
Gold scin kann. Kein Vorgang, keinc ausfälligen Dinge brauchen hicr darge-
stellt zu sein. Aber Stimmung muß von der Wand wehen, der Blick muß
träumend den Linien entlang gleitcn und schweifend sich verlieren künnen- Es
ist für das Wandbild vicl wichtiger, daß nichts Störendcs, nichts „Herausfallen-
des" darauf ist, als daß dcr Blick von ctwas Besonderem fcstgchalten wird.
Ruhig, wie eine Fläche, wie ein Gobelin, muß es zurücktreten und mit seiner
Wirkung nur wie mit eincr leisen Musik das Gcmach erfüllcn.

Es werden so viel Aufträge planlos erteilt. Warum verfallen die Aus-
Iraggeber so selten darauf, sich ihr Heim durch solch einen Schmuck zu vcr-
schönen? Man bedenke nur die ungchcuere Mannigfaltigkeit, die durch die ver-
schiedenartigen Flächen, die in der Architektur frei bleiben, geboten werden,
die Unmengen Rüume, in denen Staffeleibilder gar nicht am Platze sind, wie
Auiistwart t- Novemberheft ;8y8
 
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