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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 12,1.1898-1899

DOI Heft:
Heft 6 (2. Dezemberheft 1898)
DOI Artikel:
Jugendschriften
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Weihnachtsschau, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7957#0198

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Unsre heutigen Ausführungen haben ihrcn Zweck erfüllt, wenn sie
den Kämpfern gegen das jetzige Jugendschriftenwesen auch in unserem
Kreise zunächst einmal wohlwollende Beobachter gewönnen. Eine Probe
der Arbeit dieser Männer gab das dem vorigen Hefte beigelegte Ver-
zeichnis. Wir denken in manchem Einzelnen anders als sie, im Grund-
sätzlichen und bei weitem auch bei den meisten Anwendungen der Grund-
sätze stimmen wir ihnen mit herzlicher Anerkennung und den allerbesten
Wünschen für das Gedeihen ihrer Arbeit zu.

Metbnacbtsscbkm.

Neues GrzählenLes.

Das Bild des Weihnachtsbüchermarktes ist abgebraucht, aber cs
stimmt noch immer. Hunderre von Buden, von freilich nicht sehr kauflustigem
Publikum umdrängt, vor jeder ein Ausrufer, der seine Ware als voo plus
ultr-r anpreist, einige ehrliche, sehr geplagtc „Kommissionäre" zwischen den
Reihen, zahlreichcre nicht gerads unehrliche, aber die Vermittlung rein gc-
schäftsmätzig Betreibende, hier und da em spöttischer Beobachtcr. Wer ein
neucres Bild wünscht, mag etwa an cincn rasch hinströmenden Fluh denken, in
den die Buchhändler ihre neuen Bücher gcworfen haben; an dcn Ufcrn haltcn
die Kritiker Ausschau, gewaffnct mit langcn Stangen, halten hier und da cin
Buch auf und fischcn's heraus — das Publikum aber stürzt sich meist übcr daS,
was gerade irgendwo angeschwemmt wird.

Jch meinerseits habe zuerft den neuen Roman Wilhclm Jcnsens
„Das Bild im Wasser" (Dresden, Karl Reißner) herauSgefischt. Jensen fährt
sort, in unsre „rauhe, schnöde Wirklichkeit" Poesie hineinzudichten. Dicsmal
hat er sich eine kleine Prinzessin (in Wirklichkeit ist es freilich keine), dic in
einem einsamen weißsn Schlosse lebt, und dazu einen Primaner, der mit acht-
zehn Jahren über den Unterschied mseculiw et lomwlni Asnei-is noch sehr
mangelhaft orienticrt ist, erfundcn und läßt sie ein wunderschönes Jdyll mit
einander durchlebcn, das sreilich durch ein sehr büses Weibsbild, cine schein-
heilige Pastorstochter Namens Agneta ein tragisches Ende nimmt. DicscS
Jdyll ist zwar sehr „unwirklich", aber doch geschickt in die Wirklichkeit hinein-
gesetzt, und da Jensen den Zauberstab, dsr Stimmung gibt, in der That be-
sitzt und scinem Primaner auch einc Eutwicklung zu geben vcrmag, so kommt
ein immerhin fesselndes Buch zustande. Jm einzelnen sind Feinheiten da, die
unsere Jüngeren immerhin zum Nachdenken darüber bringen sollten, ob cs
nötig war, den Symbolismus von auswürts zu holen. So isl es z. B. sehr
schön dargestellt, wic dem Primaner die Natur zu leben beg-nnt. — Stimmung
und Feinheiten wie bei Jensen dars man bei Ernst Wichert nicht suchen,
abcr er steht dem Leben klaren Blickes gegcnüber und spinnt sein Garn mit
Behagen und schätzenswcrter Sicherheit. „Vom altcn Schlage" hoißt sein
neuestes Werk (dcrs. Vcrlag), es ist vom alten Schlage, es könntc aus dcn
Tagen stammen, wo Edmund Hoefer und Fr. W. Hackländcr dcutsche LieblingS-
autoren waren. Doch ist der Stoff modern, unserem Zeitaltcr der Technik und
der Kolonialbestrebungen entnommen, das ganze ein gesundes, unterhalt-
samcs Buch, das man ruhig auch in eine Volksbibliothck stellen könntc, wo
Aunstwart
 
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