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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 12,1.1898-1899

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Heft 3 (1. Novemberheft 1898)
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Bartels, Adolf: Grotthussens Probleme und Charakterköpfe
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Urspruch, Anton: Die Technik des Sprechens
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https://doi.org/10.11588/diglit.7957#0093

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Kunst". DaS sind, wie ich zugebe, herausgerissene Einzelheiten, aber sie be-
wcisen, datz Grotthuß den springenden Punkt nicht immer sindet, nein, datz er
ost gerade in der Hauptsache schief sieht. Wer aber sein Buch cuw Zrono
saüs liest, den wird es vielfach anregen. Datz Grotthutz viel über alle mög-
lichen künstlerischen und literarischen Dinge gelescn und den Stoff in sich zu
verarbeiten gesucht hat, merkt man trotz der Schnellfertigkeit, die er hier und
da zur Schau trägt. Adolf Bartels.

Die Decbnik des Lpreebens.

Wcnn es dem sciner vatcrländischen Kultur mit Liebe Ergebenen ein
Wichtiges gibt — waS könnte es ihm mehr sein, als die Art, wic seine Mutter-
sprache behandelt wird? Das goldene Zeitalter war es für die Dicht- und
Redekunst, da diese, nun getrennten Kunstarten eine einzige, unteilbare
Kunst waren, da wer das Gold dcr Sprache prägte, es auch selbst als Münze
in Umlauf setzte. Heute hat sich, gewitz nicht zum Vorteil dcr Sprachentwick-
lung, die Bildnerarbeit an dem heiligsten Volksgute längst in eine Arbeits-
teilung aufgelöst- Mit Ausnahme eines einzigen Beispieles sind „Singen"
und „Sagen" verschiedene Dinge geworden. Frcmd wurden sich der§tünst-
ler jcner und der Künstler dieser Kunst, und zwischen beiden stcht nun dcr
deutendc, thcorctischc Erklärer, welcher Beider Tbat vor dem Verstande recht-
fertigt, das an ihr Erlernbare in ein wissenschaftlichcs Lehrgebäude bringt.

Wird nun cin ungefähres, stätes Gleichgcwicht bestehen zwischen dem,
was des „Singens" würdig ist und denen, die berufen sind, es zu „sagen", so
schwillt im Gcgenteil in dernselben Maße der Reichtum eines Volkes an theo-
retischcn Sprachkunsterklärern, als es ärmer wird an Männern der Sprach-
kunstthat. Mehr oder minder ist alles in Scheunen geborgen, was bei der
Forschung über Ursprung, Vergangenheit, Verwandtschaft, Eigenart, Gesetzcs-
kunde deutscher Sprache einzuerntcn war. Der forschcnde Verstand verfuhr da-
bei in genaucm Bcwutztsein der Grenzen seines Vermögens: währcnd cr uns
die Vergan genhcit der Sprache zum offenen, gründlichst erläutcrtcn Buche
schuf, unterlictz cr jeden Vcrsuch, ihre Zukunst vorzudeuten, dcnn hicr gebührt
nur dem schaffenden Genius das Wort; selbst die leichter zu erfassende Gegen-
wart der Sprachc, d. h. die lcbendige, von Ohr zu Ohr, von Herz zu Herzcn
tönende Gegenwart, nicht dic durch Schrist dem Auge vermittelte tote, also
die Kunst dcr Redc blicb als Lehrgegenstand mündlicher Vermittlung über-
lasscn, ward theoretisch nur sehr seltcn bchandelt, meist nur vorübergehsnd
gestreift, und selbst das hauptsächlich nur von schaffenden Künstlern. So
verdanken wir Shakesperc, Gocthe, Schiller, Lessing, Wagncr, Jordan (dem
Spcndcr jencs oben erwähnten einzigen Beispieles) und anderen wohl treffende
Bemerkungen übcr sie, jedoch nur in Werken anderer Art zerstreut, ohne jede
Absicht, cin spstcmatisches Lehrgebäude für diese schwer zu erfassende Kunst
anzuregen. Die ausübenden Ltünstler, die sich meist selbst, durch Jrren, Streben,
eigene Erfahrung erzogen hatten und dcnen cs nun auch wicdcr allein über-
lassen blieb, Andercn ihre Kunst praktisch zu lchrcn, hielten sich — mit wenigen
Ausnahmen — der Theorie ihrer Kunst ganz fern. So sind die mit Nutzen zu
verwendenden Lehrbücher über sie äutzerst seltcn: erwähnenswert nur die von
Paleske (der allein den Vortrag selbst berücksichtigt), Hey (mit letztcr Rücksicht
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